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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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beeindruckt.»
    Ein kurzes Schweigen. Wieder hoffe ich, dass es ein längeres wird.
    «Für Leute, die lediglich plaudern möchten, gibt es auf diesem Schiff übrigens recht hübsche Liegestühle», sagt nun die Dame mit der Zigarettenspitze in ausgesucht höflichem Tonfall. Ein Lächeln huscht über Frantiseks Gesicht. Immer noch wartet er darauf, dass Albert Reiter sich endlich wieder auf das Spiel konzentriert. Lässig tippt der Wiener Werwolf nun auf den Tisch.
    «Twenty-five. Sorry, too much», stellt Frantisek fest. Tatsächlich tut es ihm kein bisschen leid. Reiter hatte stolze achtzehn Punkte. Man sieht dem Croupier an, dass er kein Verständnis dafür hat, wenn man dann noch eine Karte zieht.
    Der Mann aus Wien erhebt sich, krempelt die Hemdsärmel herunter und greift nach seinem über dem Hocker hängenden Sakko. «Wollen wir vielleicht irgendwo noch einen Drink nehmen?», fragt er mich.
    «So war das jetzt aber nicht gemeint», wirft die alte Dame ein. «Ich wollte Sie nicht vertreiben.»
    Reiter winkt ab. «Haben Sie nicht, gnädige Frau. Ich hätte sowieso jetzt Schluss gemacht.» Er haucht ihr einen angedeuteten Kuss auf die Hand. «Habe die Ehre.» Dann wendet er sich wieder mir zu. «Also. Noch ein letztes Glas, Herr Kollege?»
    «Danke. Aber lieber ein anderes Mal», erwidere ich und erhebe mich ebenfalls. Meine fünfzig Dollar haben sich schneller als erwartet in Luft aufgelöst. Da ich aber gerade auch keine Lust verspüre, mit Albert Reiter zu fachsimpeln, beschließe ich, mich zur Nachtruhe zu begeben. Es ist dafür zwar noch ein bisschen früh, aber vielleicht kann ich meiner Bettschwere mit einem Nightcap nachhelfen.
    Frantisek und die alte Dame wechseln einen Blick. Er zuckt bedauernd mit den Schultern. «Sorry, M’am. Minimum two players.»
    Der Croupier scheint nicht unglücklich darüber zu sein, dass er den Tisch jetzt schließen muss, weil nicht genug Spieler da sind.
    «Dann kann ich ja jetzt endlich meine Abendzigarette rauchen», sagt die alte Dame und zieht ein silbernes Etui hervor, dem sie eine filterlose Zigarette entnimmt, die sie nun vorsichtig in ihre Zigarettenspitze dreht. Sie nickt Reiter und mir zu. «Danke für Ihre Gesellschaft, meine Herren», sagt sie und schreitet galant davon.
    «Ja. Ich fand es auch nett. Vielleicht sieht man sich mal wieder», sagt Reiter und reicht mir die Hand.
    «Würde mich freuen», lüge ich und schlage ein.
    Als ich wenig später in meine Kabine komme, finde ich auf dem Bett eine Sonderausgabe der schiffseigenen Zeitung. Auf der Titelseite prangt ein großformatiges Schwarzweißfoto von Albert Reiter. Zumindest glaube ich das auf den ersten Blick. Tatsächlich handelt es sich um das Konterfei von Joseph Buatier, der unter dem Künstlernamen Buatier de Kolta zu einem der wichtigsten Zauberer des 19. Jahrhunderts avancierte. Die Sonderpostille erwähnt sogar, dass man von einigen Kunststücken des Meisters bis heute nicht weiß, wie sie funktionieren.
    Zu Ehren des ungewöhnlichen Namenspatrons der MS Buatier wird es morgen Abend jedenfalls nicht nur eine, sondern gleich zwei große Zaubershows im Schiffstheater geben. Die Zusatzvorstellung wurde laut Postille kurzfristig aufgrund der starken Nachfrage angesetzt. Das Management bittet dennoch um Reservierung, da auch der zweite Termin rasch ausgebucht sein dürfte.
    Ich setze mich auf die Bettkante, nippe nachdenklich an einem doppelten Scotch, den ich mir auf dem Weg in die Kabine in einem der Bistros besorgt habe, und genieße das Rauschen des Meeres. Ich kann mein winziges Kabinenfenster leider nur einen mikroskopisch kleinen Spalt öffnen, weil der Raum sonst binnen Minuten auskühlt. Aber immerhin genügt das, um den inspirierenden Klang der Wellen zu hören. Ich merke, dass meine Gedanken jene Frage umkreisen, die mich nicht erst seit dem Lesen der Schiffspostille umtreibt: Hat Gott hier seine Finger im Spiel? Ist er entgegen eigener Befürchtungen doch noch am Leben? Hat er also Abel Baumanns Körper verlassen und sich einen neuen gesucht, um sein Werk fortzusetzen? Und ist dieser Mensch, der eigentlich Gott ist, hier an Bord? Bin ich ihm womöglich schon begegnet? Ich muss lächeln.
    Anders gefragt: Glaubt Gott wirklich, dass ich so blöd bin, ihn nicht in Gestalt eines Wiener Psychologieprofessors zu erkennen, der zufällig die Physiognomie des vielleicht größten Zauberers aller Zeiten hat?
    Die Handschrift ist jedenfalls eindeutig. Gott mag Glücksspiele. Albert Reiter ebenfalls.
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