Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
Inhaltsübersicht]
    Gott lebt
    Die MS Buatier ist ein Schiff für Nostalgiker. Der Ozeanriese sieht aus, als wäre er zu Beginn des letzten Jahrhunderts vom Stapel gelaufen. Dabei steckt unter dem retrodesignten Rumpf die allerneueste Technik, wie man der schiffseigenen Postille, die ebenfalls im Stil des frühen 20. Jahrhunderts gestaltet ist, entnehmen kann. Es handelt sich also um eine Art schwimmendes Disneyland. Man gibt den Passagieren das schöne Gefühl, sich in einer Zeit zu bewegen, in der die beiden Weltkriege noch ebenso fern waren wie das Internet oder die Immobilienspekulationsblase. Die Gäste sollen den Duft des Kolonialzeitalters schnuppern, als man Raubzüge in fernen Ländern noch Expeditionen nannte und dafür obendrein nicht vor irgendwelche Menschenrechtstribunale gezerrt wurde.
    Die Stewards an Bord sind durchweg Briten. Sie befehligen ein Heer von größtenteils philippinischen Untergebenen, die mit den Passagieren keinen direkten Kontakt pflegen. Damit alle Mitarbeiter des Schiffes auf den ersten Blick zu erkennen sind, tragen sie blaue Uniformen. Die Stewards sprechen sich untereinander mit Nachnamen an, rufen aber die Hilfskräfte beim Vornamen. Das wirkt immer dann irritierend, wenn ein blutjunger Steward gestandene Männer herumkommandiert. Mr. Higgins, der verantwortliche Steward im Fitnessbereich, ist so ein Fall. Ohne Uniform würde man den Schlaks mit Pferdezähnen wohl für einen Collegeboy halten. Auf der MS Buatier hat er das Kommando über ein halbes Dutzend Handtuchträger, darunter zwei weißhaarige Inder, denen man wahrscheinlich beharrlich verschweigt, dass die Briten den Subkontinent längst verlassen haben.
    Auch der Fitnessraum ist im Retrostil gehalten, lediglich die Geräte sind neueren Datums. Wahrscheinlich würde sonst keine Versicherung mitspielen. Das Durchschnittsalter der Passagiere liegt nach meiner Einschätzung irgendwo jenseits der siebzig. Fitnessgeräte aus der Kaiserzeit würden die Zahl der Knochenbrüche an Bord bestimmt glatt verdoppeln. Zumal ich bei den ältesten Mitreisenden die Befürchtung habe, dass ein leichter Windstoß ausreichen könnte, um sie auf das nächsttiefer gelegene Deck zu wehen. Immerhin ist die MS Buatier auf solche Eventualitäten vorbereitet. Es gibt ein Ärzteteam und einen OP an Bord, beides ausnahmsweise nicht im Retrostil. Bei einer Schiffsführung habe ich erfahren, dass die medizinische Versorgung erstklassig und auf dem allerneuesten Stand ist. Das erklärt vielleicht auch, dass die besonders betagten Passagiere erwägen, bei den Landgängen in Hafennähe zu bleiben. Oder aber das Schiff gar nicht erst zu verlassen.
    Immerhin passt meine neue Badehose sehr gut zum gängigen Stil an Bord: ein türkisfarbenes Retromodell, das ich preiswert und vor allem schnell erstanden habe, ohne es mir zuvor genau anzusehen. Damit falle ich inmitten von Damen mit Blumenbadehauben und Herren in Badehosen, die tatsächlich in den Sechzigern gekauft wurden, überhaupt nicht auf. Würde ich jetzt noch zum Dinner Anzug und Krawatte tragen und eine Dame mit einem übergroßen Hut zum Tisch geleiten, könnte man mich glatt für einen normalen Passagier halten – abgesehen vielleicht vom Altersunterschied. Ich verzichte lieber auf das mehrgängige Essen im großen Saal und lasse mir in einem der übrigens Restaurants ein schnelles Steak servieren.
    Die Abendunterhaltung gestaltet sich schwierig. Ich könnte mir im Kino Singin’ in the rain ansehen oder im Theater die Grethe-Weiser-Revue. Außerdem gibt es einen Tanztee im Königin-Viktoria-Saal und ein Wettpuzzeln in der Schiffsbibliothek. Vielleicht sollte ich versuchen, erst das Wettpuzzeln zu gewinnen und dann beim Tanztee die Bekanntschaft einer flotten Neunzigjährigen zu machen.
    Während ich überlege, nach einem Abendspaziergang und einem letzten Drink einfach früh ins Bett zu gehen, finde ich mich plötzlich im Casino wieder.
    Es herrscht kaum Betrieb. Die beiden Roulette-Tische sind verwaist, aber beim Black Jack haben sich zwei Spieler eingefunden. Eine alte Dame, die von Zeit zu Zeit an einer leeren Zigarettenspitze zieht und ein Endfünfziger, dem sein dichtes, schwarzes Haupt- und Barthaar ein düsteres Aussehen verleiht.
    Ich geselle mich dazu, was den gedrungenen Croupier auf der anderen Seite des Tisches kurz innehalten lässt. Gerade wollte er austeilen, nun wartet er noch einen Moment, bis ich mich gesetzt und mein Geld hervorgekramt habe. Seinem Namensschild entnehme ich,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher