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Die Zweitfrau

Die Zweitfrau

Titel: Die Zweitfrau
Autoren: Gabriele Ploetz
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Teil Eins

    Kapitel 1

    „Darf ich noch einen Moment um eure Aufmerksamkeit bitten“, so übertönt unser „großer“ Vorsitzender unser Gemurmel, das sich bereits breit macht, weil wir die Sitzung als beendet betrachten.
    Sofort verstummen wir alle und blicken abwartend zu ihm hin. Wir sind bereits in Aufbruchsstimmung und wollen uns nicht mehr allzu lange aufhalten lassen. Der Abend ist, wie meist, lang gewesen. Wir haben in der Vorstandssitzung über Mitgliederzahlen, Neuzugänge und Vortragsabende geredet und es drängt uns in die nahegelegene Weinstube, die wir immer noch aufsuchen, um den jeweiligen Sitzungsabend ausklingen zu lassen.
    Rudolf räuspert sich, ehe er anfängt zu sprechen:
    „Am Freitag nächster Woche findet eine Veranstaltung unserer gegnerischen Partei statt und ich finde, jemand sollte da mal hin, um zu hören, was die so zu bieten haben, wie die ihre Abende gestalten und vor allen Dingen: wie gut besucht sind die Veranstaltungen.“
    Ich verdrehe innerlich die Augen, will diesmal nicht diejenige sein, die sich angesprochen fühlt, will nicht schon wieder einen Abend hergeben. Ich habe im Ortsverein die Organisation übernommen, was heißt, dass ich immer alle Hände voll zu tun habe, jemanden zu finden, der wie jetzt in Wahlkampfzeiten, mit mir plakatiert, oder eine Veranstaltung vorbereitet. Ich blicke also angelegentlich in meine Unterlagen und warte, ob und wer sich meldet. Viele der Vorstandsmitglieder tun es mir gleich und schauen ebenfalls angestrengt in ihre Arbeitsmappen. Es herrscht Stille, die Rudolf endlich durchbricht:
    „Ja ich weiß, es ist ein Freitag und wir alle haben momentan viel zu tun, aber einer muss hin. Ich würde es selber tun, aber ich muss zur Kreisvorstandssitzung, kann also nicht.“
    Weiterhin das große Schweigen. Um dem ein Ende zu setzen, sage ich:
    „Gut, ich gehe dahin, aber auf keinen Fall alleine. Irgendjemand muss mit, wir können ja anschließend etwas trinken gehen, damit der Abend nicht ganz verloren ist.“
    Und siehe da, alle erwachen aus ihrem vorgetäuschten Schlummer und es findet sich noch jemand, der bereit ist, ebenfalls den Abend zu opfern. Wir werden also offiziell „beauftragt“ hinzugehen, zuzuhören, eventuell Notizen zu machen und bei der nächsten Vorstandssitzung Bericht zu erstatten. Damit ist die Sitzung endgültig beendet und wir können endlich aufbrechen.
    Siggi, der sich bereit erklärt hat, mit mir den „Erkun dungsabend“ im feindlichen Lager zu verbringen und ich machen noch schnell den Termin aus. Er wird mich rechtzeitig abholen. So weit, so gut.
    Am Freitag taucht Siggi auch wirklich pünktlich auf und wir starten Richtung Sindelfingen. Natürlich sind wir, wie immer in der Gegend, nicht die einzigen Menschen, die unterwegs sind. Wir stehen also im Stau. Wir seufzen beide, das haben wir uns schon gedacht, als wir uns bereit erklärt haben, diesen Abend zu opfern. Immerhin gibt uns der Stau jedoch Gelegenheit über die letzte Sitzung zu sprechen. Und es gibt immer wieder viel über so einen Abend zu reden. Nichts ist ja so schön, wie über „Andere“ zu sprechen. Vor allen Dingen dann, wenn sie nicht dabei sind. Ehe wir uns versehen, löst sich der Stau auf und wir kommen tatsächlich rechtzeitig dort an, wo wir hin wollen.
    Wow! Unfassbar, wie viele Leute sich im Nebenzimmer der Gaststätte versammelt haben! Nur einmal wünschen wir uns auch nur die halbe Anzahl der Anwesenden, wenn wir einen ähnlichen Abend organi sieren. Nicht davon zu träumen. Ein schwerer Schlag für uns.
    Ich staune noch, als ich bemerke, dass Siggi sich in Bewegung setzt und auf jemanden zugeht, den er offensichtlich kennt. Was bleibt mir übrig, als hinter ihm her zu gehen. Ich werde einem Mann vorgestellt, dessen Namen ich, wegen des Gemurmels um mich herum, nicht verstehen kann. Auch der Name des Mannes, der dabei steht, geht völlig unter. Es ist fast unmöglich, überhaupt etwas zu verstehen, denn um uns herum summt es wie in einem Bienenschwarm. Die meisten Leute scheinen sich zu kennen und reden miteinander. Ich begrüße also die Beiden, für mich Fremden und schüttele ihre Hände. Danach beobachte ich weiter die Menge, die in den Saal strömt. Was geredet wird zwischen den Dreien, das bekomme ich gar nicht mit, es scheint mir auch nicht wichtig zu sein.
    Dann ergreift Siggi plötzlich meinem Arm und wir suchen uns, nachdem wir uns durch ein Kopfnicken von den beiden anderen verabschiedet haben, einen Platz.
    Schlecht ist der
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