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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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zwingen?
    Manch einem Ordensmenschen mochten diese Thesen wie eine Offenbarung erscheinen, den Kirchenoberen missfielen sie. Martin Luther wurde aufgefordert, zu einem Reichstag nach Augsburg zu kommen – und öffentlich zu widerrufen.
    Er weigerte sich beharrlich. Um sich einer anstehenden Verhaftung zu entziehen, flüchtete er in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1518.
     
    Johannes Heussgen, genannt Oekolampadius, Theologe und Humanist, kam kurz darauf nach Augsburg. Als Domprediger hatte er natürlich Zugang zu den Unterlagen über Luther. Er studierte dessen Schriften gründlich. Sie sprachen ihm aus dem Herzen – und brachten ihn in Gewissensnöte. Diesen versuchte er 1520 durch Rückzug in das als sehr streng bekannte Birgittenkloster Altomünster zu entkommen. Drei Bedingungen stellte er allerdings: Er wolle Gott nach seiner Art dienen, weiterhin den Wissenschaften nachgehen und das Kloster wieder verlassen dürfen. Prior Johannes Palgmacher, der die Äbtissin Katharina Örtler in allen Außenangelegenheiten vertrat, akzeptierte freudig. Mit Oekolampadius kam nämlich nicht nur ein angesehener Gelehrter nach Altomünster, er brachte auch zweihundert Gulden für den Bau einer eigenen Altomünsterer Pfarrkirche mit.
     
    Bereits am 15. Juni des gleichen Jahres erließ Papst Leo X. eine Bulle, in der er Martin Luther erneut zum Widerruf aufforderte.
     
    Oekolampadius wurde daraufhin gedrängt, Stellung zu nehmen. Mit der Ruhe, die er eigentlich im entlegenen Altomünster gesucht hatte, wurde es also nichts. Neben seinen Studien schrieb er einen Text – zunächst nur in Latein – mit dem Titel: „Urteil und Meinung, Doktor Martin Luther betreffend“.
    Hierin bekannte sich Oekolampadius eindeutig zu Luthers Thesen.
     
    Am 03. Januar 1521 wurde Martin Luther schließlich von Papst Leo X. exkommuniziert.
     
    Ebenfalls Anfang 1521 kam Oekolampadius' Text, inzwischen ins Deutsche übersetzt, in Augsburg als Flugschrift heraus.
     
    Am 17. April desselben Jahres wurde Martin Luther beim Wormser Reichstag letztmals aufgefordert, seine Thesen öffentlich zu widerrufen. Wieder weigerte er sich. Daraufhin wurde er durch Wormser Edikt und Reichsacht für vogelfrei erklärt. Seine Schriften wurden vernichtet. Er zog sich auf die Wartburg zurück, wo er sich umgehend daran machte, die Bibel zu übersetzen.
     
    In den Predigten, die Oekolampadius hielt, und in seinem umfangreichen Schriftverkehr wurde der innere Wandel zu Luther immer deutlicher. Prior Palgmacher und die Mitbrüder schlossen Oekolampadius schließlich vorsichtshalber aus der Klostergemeinschaft aus.
     
    So sah es aus, rund um das einstmals so beschauliche Kloster Altomünster, als sich am 17. Oktober 1521 die Pforten des Frauenkonvents hinter der sechzehnjährigen Mathilda von Finkenschlag schlossen.

Katharinas Geschichte
     
     
    Als wir nach einem passenden historischen Zusammenhang suchten, in den wir unsere Liebesgeschichte betten könnten, fiel unsere Wahl auf die Zeit der Reformation, deren Wirren eine ernste Krise in beiden Altomünsterer Konventen auslösten – und im Zuge derer man an einer Nonne namens Katharina Greulich nicht herum kommt.
     
    Sie muss eine gebildete Frau aus wohlhabendem Hause gewesen sein, jedenfalls brachte sie den alten Chroniken zufolge neben ihrer finanziellen Mitgift auch lateinische und deutsche Bücher mit ins Kloster.
    Als nach Oekolampadius dann neun Mönche und eine Nonne flohen, blieb Katharina, die auch mit ihm sympathisiert und Fluchtgedanken gehegt haben soll, zurück – und wurde dafür in den Klosterkerker gesteckt, wo sie ihr ganzes restliches Leben bis zum Mai 1566 verbrachte.
     
    Wir haben versucht zu verstehen, was damals geschehen sein könnte:
    Warum wurde eine Nonne eingesperrt, die zwar weg wollte – es aber nicht in die Tat umgesetzt hat?
    Zumal aus den alten Aufzeichnungen unseres Klosters hervorgeht, dass zumindest Mönche das Kloster durchaus verlassen haben – und teilweise sogar in Gnaden wieder aufgenommen worden sind.
     
    Der Fall Greulich muss demnach eine weitere Bedeutung gehabt haben. Wenn man die unmittelbaren Umstände ihrer Nicht-Flucht hinzuzieht – und die Tatsache, dass die beiden Birgittenklöster Maihingen und Gnadenberg die Reformation nicht überlebt haben, so liegt der Schluss nahe:
    Für das Kloster mitsamt Äbtissin Örtler und Prior Palgmacher wird Katharinas Inhaftierung eine willkommene Abschreckung gewesen sein, die ihnen ermöglichte, wenigstens den
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