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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Autoren: Ralf Isau
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    Tiara
     
     
     
    Als sie das Pfarrhaus erreichten, hörte das Nieseln auf. Doch Mond und Sterne hielten sich weiter hinter dunklen Wolken versteckt. Es war eine finstere Nacht.
    »Typisch«, sagte Lorenzo Di Marco und schloss mit einem mittelalterlich anmutenden Riesenschlüssel die Tür auf »Komm rein, David, und zieh dir etwas Trockenes an. Ich koche uns noch einen Kaffee und schlüpfe schnell in andere Sachen. Dann können wir darüber reden, wie es nun mit uns weitergehen wird.«
    Der Klang von Lorenzos Stimme gefiel David nicht. Es lag etwas Sachliches, Kühles in ihr. In diesem Ton pflegte man Absagen zu formulieren. Unter dem noch frischen Eindruck der misslungenen »Feuerprobe« in der Werkstatt des jüdischen Goldschmiedes konnte David seinen Freund sogar verstehen. Wäre der Fürstenring in Lord Belials Gegenwart eingeschmolzen worden, hätte der Kampf gegen den Kreis der Dämmerung ein schnelles Ende gefunden. Jasons Anleitung zufolge wäre damit »das Böse gebannt und das im Ring eingeschlossene Gute befreit« worden. Alle Theorie ist grau.
    Die Praxis dagegen ist ein widerborstiges Biest, dem man nicht trauen darf. Der herbe Rückschlag dieses Abends hatte sie alle in Gefahr, aber dem Ende der Jagd nicht um ein Jota näher gebracht. Nur mit vielen beschwichtigenden Worten waren sie unbeschadet aus der Werkstatt des aufgebrachten Goldschmieds entkommen. Er wolle so ein »verfluchtes Ding« nicht in seinem Hause haben, hatte Davide gewettert und den Ring böse angefunkelt. Es bringe Unglück. Er werde sich ernsthaft überlegen müssen, ob er Lorenzo nicht die Freundschaft aufkündige.
    David fröstelte. Lag es an der Feuchtigkeit in seinen Kleidern oder an den Gedanken in seinem Kopf? Ihr stümperhafter Versuch, den mächtigen Schattenlord in eine Falle zu locken, konnte sich leicht ins Gegenteil verkehren. Tags zuvor hatten sie im Mithräum mit Hilfe des Siegelringes die Bilder der Vergangenheit heraufbeschworen und ihn dann dem Feuer des Goldschmiedes ausgesetzt. Vielleicht war dadurch eine Tür aufgestoßen worden, die sich nun nicht mehr schließen ließ.
    Gedankenversunken schritt David den breiten Flur entlang in das Wohn- und Arbeitszimmer. Bevor er sich umzog, wollte er die klamme Kälte aus dem Raum vertreiben. Er machte sich am Kamin zu schaffen, füllte die alte Asche in einen Behälter, schichtete Holzscheite und zuletzt einige Kienspäne auf. Dann ließ er ein langes Streichholz über die Reibefläche der Schachtel gleiten und betrachtete wie hypnotisiert die gelbe Flamme. Erst als er die Hitze des Feuers an den Fingerkuppen spürte, warf er das Zündholz auf die harzigen Späne. Schnell breitete sich unter seinen Händen eine wohlige Wärme aus.
    »Wie viel Zucker möchtest du in deinen Kaffee?«, rief Lorenzo über den Flur.
    »Nur einen Teelöffel… « David stockte. Entsetzt riss er die Augen auf. Das Feuer im Kamin schien sich urplötzlich in einen Lichtblitz zu verwandeln. Im nächsten Moment war ihm klar, dass die Explosion erst noch stattfinden würde. Seine Sekundenprophetie hatte ihn gewarnt.
    »Eine Bombe!«, schrie er, so laut er konnte, schnellte aus der Hocke hoch und rannte zur Flurtür. »Lorenzo, wir müssen raus!«
    Der Freund war bereits auf dem Gang. »Was…?«
    »Keine Zeit! In höchstens fünfzehn Sekunden… Ach, komm einfach!« David packte den Gefährten an der Jacke und wollte ihn zur Tür zerren, aber schon erkannte er eine neue Gefahr. »Draußen sind Männer mit Schrotflinten. Gleich fliegt hier alles in die Luft.«
    Noch zehn Sekunden…
    »Hier lang!«, stieß Lorenzo hervor und zog nun seinerseits David mit sich. Am Ende des Flures riss er einen fadenscheinigen Läufer zur Seite und darunter eine Bodenluke auf. »Spring!«, brüllte er.
    Noch vier Sekunden…
    David sprang – der Keller war nur zwei Meter tief – und rollte sich sofort zur Seite weg. Lorenzo hatte hinter ihm noch nicht ganz den Boden erreicht, als eine gewaltige Detonation das Pfarrhaus erschütterte. Sie wichen zurück, um nicht von umherfliegenden Trümmern getroffen zu werden. Brennende Splitter regneten in den Kellerraum hinab, der dadurch für kurze Zeit in helles Licht getaucht wurde.
    »Das war knapp«, keuchte Lorenzo.
    »Noch sind wir nicht draußen. Sollte uns nicht schnell etwas einfallen, werden wir hier unten ausgeräuchert. Und selbst wenn wir irgendwie hinauskommen, warten oben die Kerle mit ihren Flinten auf uns.«
    »Ein Hausherr sollte sich in seinen vier Wänden
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