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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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leise, aber gefährlich.
    „Nein.“ Mathilda musste nicht lügen. Arno hatte 'draußen' keine mit schöneren Haaren.
    „Mathilda Finkenschlag! Schwöre mir, dass du, wenn du in der Kirche gesungen hast ...“ Mutter Örtlerin brach ab und sah plötzlich aus wie vom Donner gerührt.
    „Die Visionen“, stammelte sie. „Von einem Mann! In der Kirche.“ Dann schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. „Und ich dachte ...“ Sie brach ab, hob jäh den Blick. „Einer der Geflohenen? Nein!“ Sie begann zu lachen, hoch und, wie Mathilda fand, ziemlich durchgedreht. „An der Nase herumgeführt hat er mich.“ Sie lachte, wurde lauter, lachte weiter und weiter. Schlug die Hände auf die Beine und lachte immer irrer. „Perfekt! Er sagte, sie hätte Visionen – und ich ertappe sie dabei. Perfekt eingefädelt! Ja, genauso, nicht wahr, Mathilda?“
    Völlig geschockt starrte die die noch immer wie irr lachende Äbtissin an. Sie wusste – alles. Hatte Steinchen für Steinchen zusammengesetzt zu einem Mosaik und betrachtete das schockierende Gesamtbild jetzt zum ersten Mal. „Das junge, weltliche Ding und ihr ...“
    „Liebsster?“, fiel ihr die Schönin ins Wort.
    Die Äbtissin schüttelte den Kopf, immer noch um Fassung bemüht, die sie sichtlich wiedererlangte. „Warum? Sprich! Warum?“ Sie hatte es geschafft, kehrte zu ihrer ursprünglichen Haltung zurück, richtete sich hoch auf und blitzte Mathilda an. „Sind es die Haare, die dich so begehrenswert machen, dass er den Verstand verloren hat?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte sie dir längst nehmen sollen.“
    „Dann tut dass doch jetzt“, kam ein böses Zischen von der Schönin. „Nehmt Ihr ihren Schmuck, auf dass ssie werde, wass wir alle hier ssind.“
    Unglücklich, frustriert, missgünstig, voller Angst vor dem Teufel ... Mathilda hätte einiges darauf zu sagen gewusst, wie sie die Nonnen wahrnahm und wie sie selbst niemals werden wollte. Aber womöglich hatte die Schönin recht – und es ging mit dem Verlust der weiblichen Attribute einher, dass eine Frau sich in ein geschlechtsloses und unberechenbares Nonnenwesen verwandelte.
    „Die kommen doch erst zur Weihe ab ...“, stammelte sie.
    „Es ist für alle Beteiligten besser, wenn wir das sofort erledigen“, bestimmte Mutter Örtlerin mit Lippen, die vor Anspannung weiß waren. „Auch wenn der Bischof erst am Sonntag kommt.“
    Mathilda wurde schlecht.
    Die Äbtissin sah rachedurstig aus, und Mathilda wurde bewusst, dass sie allen Grund dazu hatte. Immerhin hatten Arno und sie die Äbtissin gehörig genasführt. Nichtsdestotrotz, ihre Haare ...
    „Das könnt Ihr nicht machen!“ Elisabeth war aufgestanden und einen Schritt nach vorn getreten. „Der Strafkatalog sieht Haareschneiden als Bestrafung nicht vor.“
    „Das lediglich deswegen, weil es in den Klosterregeln nicht vorgesehen ist, eine Postulantin aufzunehmen“, wurde sie von der Priorin belehrt. „Und deswegen bewegt sich diese Strafe durchaus im Bemessungsspielraum.“
    „Das sehe ich anders“, beharrte Elisabeth. „Das Haareschneiden ist ritualisiert und Teil der Weihezeremonie.“
    „Die mit allen Verwandten und dem Konvent begangen wird. Ein letztes Familienfest“ sagte die Äbtissin kalt. „Mathilda jedoch ist schon monatelang hier. Ich denke, in ihrem Fall können wir getrost auf die Einhaltung jeglicher Rituale verzichten.“ Sie warf einen kurzen Blick auf Mathilda. „Und ob wir die Haare heute oder in ein paar Tagen beseitigen, darauf kommt es nun wirklich nicht an.“
    Damit wandte sie sich zur Schönrätin, winkte großzügig: „Wenn Ihr diesen Teil der Bestrafung übernehmen wollt, ich lasse Euch freie Hand.“
     
     
    „Ihr passt nicht in dieses Leben, unter diese Frauen. Und es wird in Zukunft noch schwerer werden. Menschen wie Ihr werden allesamt zu Luther wechseln. Zurückbleiben werden nur die, die ... nicht so sind.“
    „Das ist mir egal. Ich will bei Elisabeth bleiben. Allein dort ist mein Platz.“
    „In diesem Kerker?“
    „Sie werden mich nicht ewig einsperren.“
    „Elisabeth zumindest wird wenig für Euch tun können.“
    „Sie wird nachher kommen, sie war auch heute Morgen hier.“
    „Katharina, Ihr seid jung. Ihr habt den Kopf, die Leidenschaft! Ihr könnt doch Euer Leben nicht in einem feindlichen Kloster verschwenden und darauf warten, dass Eure Liebste Euch zuweilen besucht – wenn sie stark genug ist, sich gegen ihre Äbtissin und ihr schlechtes Gewissen durchzusetzen –
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