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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ihr je vonseiten der Schönin angetan worden waren.
    Arno konnte also im Kerker getrost auf die Türe eindreschen. Niemand hier würde es hören!
     
    Es dauerte eine Weile, bis sich die allgemeine Erregung etwas gelegt hatte. Die älteren Nonnen hatten sich bereits erschöpft auf ihre Plätze zurückgezogen, die jüngeren standen zwar noch, waren aber auch schon leiser geworden.
    Mathilda überlegte, ob sie bereits für ausreichend Lärm gesorgt hatte, warf einen Blick zu Elisabeth. Die wusste sofort, worum es ging, und hob fragend die Schultern.
    „Ruhe, alle hinsetzen! Jetzt wird geschwiegen!“ Mutter Örtlerin war endlich wieder in der Lage, sich stimmlich durchzusetzen, klatschte in die Hände und donnerte im schärfsten Befehlston: „Wer heute noch etwas zu essen bekommen möchte, setzt sich sofort hin.“
    Das wirkte, und binnen weniger Augenblicke hatten alle Platz genommen. Das plötzliche Schweigen nach dem Geschrei wirkte sehr fremd. Dennoch lauschte Mathilda auf fernes Pochen, undefinierbare Schlaggeräusche tief aus dem Nonnenkonvent. Doch es war nicht dasGeringste zu hören, bis auf die heftigen Atemzüge der Nonnen hier im Saal.
    „Ich muss doch sehr bitten.“ Die Äbtissin hatte sich in der Mitte des Raumes aufgebaut und sah aufgebracht umher. „Hier kann doch nicht jede tun, was sie will.“ Dann wandte sie sich an Mathilda. „Wenn du eine Anklage vorzubringen hast, halte dich an die Regeln, sonst wird dir das Wort nicht erteilt werden.“
    Mathilda nickte, nur scheinbar demütig. Wenn sie warten würde, bis sie dürfte, was sie wollte, würde ihr Leben mit Warten vergehen.
    „Mutter Örtlerin?“ Schwester Schönratin hatte sich auch aufs Gefügigsein verlegt und mit bescheidenem Gesicht zu Wort gemeldet. „Jetzt hat Mathilda ihre Anklage ja schon vorgebracht, ohne ssich an die Regeln gehalten zu haben. Darf ich dann, nur aussnahmssweisse, meine auch vorbringen?“
    Die Äbtissin zögerte.
    „Ess isst wirklich von grosser Wichtigkeit“, beharrte die Schönratin.
    Mathilda wurde mulmig. Was hatte die alte Schnepfe vor? Wovon wusste sie? Was würde sie vorbringen, sollte sie die Erlaubnis bekommen?
    „Schwester Schönratin“, sagte Mutter Örtlerin mit deutlichen Erschöpfungszeichen im Gesicht. „Können wir Eure Anklage nicht auf das morgige Kapitel verlegen? Der Tag heute war lang und anstrengend, und ich würde jetzt wirklich viel lieber ein wenig die Regeln des Klosters vertiefen, als noch eine Anklage zu hören.“
    „Ssie isst aber wirklich ssehr wichtig“, beharrte die Schönin.
    „Und sei sie noch so gerechtfertigt“, schüttelte die Äbtissin den Kopf. Dann winkte sie in den Raum: „Bevor ich mit den Klosterregeln beginne, lasset uns beten.“
    Das typische Stoffgeraschel setzte ein, als die Frauen von den Bänken auf die Knie rutschten. Ansonsten war alles still.
    Da schoss Schwester Schönrat auf die Füße: „Mathilda Finkenschlag trifft ssich heimlich mit einem Mann!“
     
     
    Arno wandte sich der Tür zu, einer schweren aus dicken, schwarzen Holzplanken. In Augenhöhe befand sich eine Klappe. Gut, also zuerst reden. Er öffnete das kleine Fenster. „Katharina?“ Seine gedämpfte Stimme verhallte in einer massiven Stille.
    War sie überhaupt dort drinnen?
    „Katharina! Kommt an die Tür!“
    Keine Antwort. Kein Laut aus der Finsternis.
    Arno hielt die Lampe direkt in den Spalt. Das Licht bildete nur einen schmalen Kegel auf dem Steinboden.
    „Katharina! Hört Ihr mich nicht?“
    Was, wenn sie bewusstlos war? All diese Stunden in diesem Loch würden nicht spurlos an ihr vorübergegangen sein.
    „Katharina!“ Er hatte keine Wahl. „Ich werde die Tür jetzt öffnen und Euch da herausholen“, kündigte er überflüssigerweise an und schälte die Axt aus den Stoffbahnen.
    „Das könnt Ihr Euch sparen“, ließ ihn im selben Moment zusammenzucken. Katharinas laute und deutliche Stimme aus dem Nichts. „Ich komme nicht mit. Ohne Elisabeth gehe ich nicht von hier weg.“
    „Ihr wisst es schon? Hat sie es Euch doch gesagt?“
    „Sie kann nicht lügen. Und sie kann nicht vor mir verbergen, was sie so leiden lässt.“ Nur eine körperlose Stimme.
    Die Wut, die in ihm aufwallte, stand ihm nicht zu, doch er konnte nicht an sich halten. „Elisabeth lässt Euch leiden, lässt Euch hier im Kerker eingesperrt sein. Wenn es ihr deswegen schlecht geht, dann ist das ihre Sache, denn sie könnte dieses Leiden jederzeit abstellen.“
    Er konnte das auch. Und er tat es.
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