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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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rund um unsere Geschichte
     
     
    Gegen Ende des Mittelalters war Individualität noch weitgehend unbekannt. Dazu war das Leben zu hart. Wenn ein Junge das erste Lebensjahr überlebte und später nicht von Seuchen oder Kriegen dahingerafft wurde, hatte er eine Lebenserwartung von immerhin vierzig Jahren. Nicht viel mehr Zeit, als zu arbeiten, sich fortzupflanzen und zu arbeiten.
    Für Mädchen sah es schlechter aus. Das zusätzliche Risiko ihrerseits, bei der Entbindung eines Kindes zu sterben, sowie das harte Leben zwischen Arbeit und Mutterschaft senkten ihre Lebenserwartung auf zweiunddreißig Jahre.
    Die Söhne Adeliger und Reicher hatten es in mancherlei Hinsicht besser. Überlebten sie das Säuglingsalter, bedingten weniger Arbeit und mehr Brot ein längeres Leben. Doch ihr wichtigster Vorteil: Bildung. Die Gelegenheit zum Denken, zum Individuumsein.
    Wiederum hatten es die Töchter schlechter: Sie wurden gut verheiratet und hatten dann nur noch für Nachkommen zu sorgen. Es gab nicht viele Mädchen, die lesen und schreiben oder gar Latein lernten. Wozu auch? Sie starben ja ohnehin früh.
    Dennoch, es gab sie. Mit der Bildung, die ihnen zuteil wurde, ging es einher, dass sie ihr Leben hinterfragten. Dass sie Ziele hatten, die über Ehe und Mutterschaft hinausgingen.
    Doch wie konnte sich eine Frau in dieser Zeit selbst verwirklichen?
    Birgitta von Schweden zum Beispiel schaffte es, sich in einer rein männerorientierten Welt Gehör und Einfluss zu verschaffen. Nachdem sie acht Kinder bekommen hatte und schließlich verwitwet war, wurde sie Nonne und gründete ein Kloster in ihrer Heimat. Aber sie wollte mehr, zu sehr stieß sie sich an der damaligen Verweltlichung der Kirche. Ein neuer Orden schwebte ihr vor, wirtschaftlich autark und strenggläubig. Die dazugehörige Ordensregel empfing sie in Visionen, die niedergeschrieben und tatsächlich umgesetzt wurden. Ihre Klöster sollten zwar Frauen und Männer beherbergen, aber – für damalige Zeiten revolutionär – von einer Äbtissin geleitet werden. Allerdings hatten die Frauen in strengerer Klausur zu leben und das bedeutete, sie würden das Kloster nach ihrem Eintritt unter keinen Umständen mehr verlassen. Der Männerkonvent hatte alle Außenangelegenheiten zu regeln, nach den Weisungen der Äbtissin.
    Noch ehe Birgitta miterleben konnte, wie schwierig die Umsetzung ihrer Regel war, verstarb sie hochbetagt nach einem erfüllten Leben im Jahre 1373.
    Dennoch, ein Birgittenkloster nach dem anderen wurde gegründet.
    Über hundertzwanzig Jahre nach ihrem Tod wurde im Markt Altomünster durch Beschluss Papst Innozenz' ein ehemaliges Benediktinerkloster in einen Birgittenkonvent umgewandelt. Ruhig und beschaulich inmitten von Wäldern und Wiesen gelegen, mit reichlich kleinen Quellen gesegnet, die aus dem Boden murmelten, lag Altomünster abseits der pulsierenden Städte München, Augsburg – und dem Bischofssitz Freising. Beste Voraussetzungen also für ein strenggläubiges Kloster.
     
    Im klerikalen Rest der Welt sah es ganz anders aus. Dort herrschten weiterhin Simonie und Sittenverfall. Papst wurde, wer in der Lage war, die höchsten Bestechungsgelder zu zahlen und seine Machtansprüche immer wieder zu sichern. Der Geldbedarf dieser Päpste war dadurch enorm. Sie verschuldeten sich immer wieder – vorzugsweise bei den reichen Fuggern in Augsburg. Die wussten diesen Umstand durchaus zu nutzen – und kauften sich mehr und mehr in den ertragreichen Ablasshandel ein, frei nach dem Motto: 'Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt.'
    Die meisten Menschen konnten sich Ablässe schlicht und ergreifend nicht leisten. Aber auch die Reicheren beklagten sich über diese Praxis. Jedoch – die Kirche und die Fugger profitierten davon.
     
    Martin Luther, Augustinermönch und Theologieprofessor, formulierte seinen Protest in fünfundneunzig Thesen und schlug diese am 31. Oktober 1517 an die Türe der Schlosskirche zu Wittenberg. Damit löste er die Reformation aus, denn er verwehrte sich nicht nur gegen Simonie und Ablasshandel, sondern stellte noch ganz allgemein die katholische Kirche infrage: Ist es rechtens, dass die Kirche und damit Menschen Sünden vergeben – oder kann das nur Gott alleine? Ist es nicht elitär, den größten Teil der Menschen vom Ablauf der Gottesdienste auszuschließen, weil die ausschließlich auf Latein stattfanden? Und letzten Endes: Ist es wirklich gottgewollt, Priester, Mönche und Nonnen ins Zölibat zu
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