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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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schüttelte sich. Wie viele Leute waren nicht aus Versehen erschossen worden! Nicht auszudenken, wenn Krister überraschend nach Hause käme und als potenzieller Einbrecher oder Mörder erschossen würde. Nach den Ereignissen des Tages war sie wohl doch ein wenig überspannt. Die Angst folgte ihr zwischen die Decken, kroch unter ihre Haut. Bilder des erhängten Wallström und von dem Hund, der leblos im Arm des alten Mannes lag, segelten über ihre Netzhaut. Stina Ohlssons hysterische Schreie dröhnten ihr in den Ohren. Maria wälzte sich im Bett, bis das Laken so zerknüllt war, dass sie aufstehen und das Bett neu machen musste. Sie musste versuchen einzuschlafen. Morgen war wieder ein Tag. Ein Geräusch ließ sie hochfahren. Maria stand regungslos da und lauschte. Ein Auto näherte sich von weitem und fuhr vorbei. Es wurde wieder still. Sie schob das Rollo zur Seite und blickte in die Nacht hinaus. Draußen war es stockdunkel. Weder Mond noch Sterne waren zu sehen. Der Schnee war geschmolzen. Nur ein kleiner Adventsstern im Mietshaus nebenan leuchtete in die Nacht. Ein Hund jaulte traurig und eintönig. Sicher der Schäferhund von Edith Bäckman. Edith war eine ausgesprochen neugierige und gesprächige kleine Frau, die in der Wohnung gegenüber von Berit wohnte. Zeitweise soff sie unmäßig und war dann ein paar Wochen lang verschwunden, in der Zwischenzeit aber war sie über alle Maßen kontaktfreudig. Der Hund bekam wohl während der feuchten Zeiten nicht die Pflege und Zuneigung, die er brauchte. Jetzt stand Weihnachten bevor. Wenige Feiertage sind so belastend für Menschen, die einsam sind. »Edith ist kein Weihnachten nüchtern gewesen, seit ich hier eingezogen bin«, hatte Berit ihr im Vertrauen erzählt. »Sie versteckt sich über die Feiertage, damit niemand sieht, wie einsam sie ist.« Maria schlich in die Küche und wärmte ein wenig Glühwein auf dem Herd. Die weißen Hyazinthen am Fenster dufteten intensiv, und der Duft vermischte sich mit den Schwaden von Nelken und Zimt. Weiße duftende Blumen. Der Duft von Nelken. Weiße Nelken, Leichengeruch. Maria kniff sich in den Unterarm, damit der Schmerz sie dazu brachte, sich zusammenzureißen. Der Papierstern lächelte milde und golden. Die Unruhe wollte nicht weichen. Noch einmal kontrollierte sie, ob die Außentür abgeschlossen war. Ein wenig verschämt suchte sie nach einem Paket Zigaretten, das sie in ihrem Schubfach mit Unterwäsche versteckt hatte. Sie hatte schon vor längerer Zeit mit dem Rauchen aufgehört, damals, als sie Emil erwartete. Eigentlich wusste sie gar nicht mehr, was sie dazu gebracht hatte, Zigaretten zu kaufen. Auf Hartmans 55. Geburtstag hatte sie geraucht, als sie mit den Kollegen zum Gratulieren da gewesen war. Am Tag danach war dann ein Paket so mitgegangen, als sie zum Einkaufen gewesen war. Vielleicht war das eine Art von Protest. Ich fühle mich hier nicht wohl! Seht mich an! Oder war es so, wie Berit sich immer zynisch ausdrückte: »Einmal nikotinabhängig – immer nikotinabhängig?« Sie hatte die Zigaretten in dem Schubfach versteckt. Krister wusste nichts davon. Sie hatte das Paket in einen grünen Strumpf geschoben, aber der Strumpf war leer! Sie wusste sicher, dass sie das Paket in den grünen Strumpf gesteckt hatte. Nun war der mit dem zweiten sorgfältig zusammengerollt, so als ob es nie eine Zigarettenpackung gegeben hatte. »Verdammtes Weib. Sie hat in meinen Schubladen herumgeschnüffelt«, sagte Maria laut. »In dem Fach mit der Unterwäsche! Das ist so frech, da bleibt einem doch die Luft weg!« Einen Augenblick lang überlegte sie, ihre Schwiegermutter anzurufen, ließ es dann aber bleiben. Nach einer solchen Konfrontation würde sie nicht schlafen können, und schlafen musste sie. Krister hatte sich gefälligst darum zu kümmern, wenn er nach Hause kam. Es war schließlich seine Mutter, und wenn sich grundsätzlich etwas ändern sollte, mussten sie sich einig sein. Ein lautes Klopfen am Fenster in der Küche ließ das Haus erzittern. Wenn Maria nicht so wütend gewesen wäre, hätte sie es mit der Angst bekommen. Ein Paar runde Augen starrten sie durch die Hyazinthen an. Es dauerte zwei Sekunden, bis Maria begriff, dass es sich bei der verschmierten Masse unter den Augen um Nase und Mund handelte, die gegen die Scheibe gedrückt wurden, wie ein Kaugummi unter dem Tisch im Speisesaal einer Schule. Ohne die Kraft, die ihr Zorn ihr gab, hätte sie es nie gewagt, die Balkontür aufzumachen, jetzt riss sie sie,
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