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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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Der Mann kann sich kaum selbst den Speer in den Bauch gebohrt, sich in den Hals gestochen und sich danach erhängt haben, oder umgekehrt. Also kein Selbstmord.«
    »Dick Wallström hatte keine Schuhe an den Füßen. Kann die eine Fußspur von ihm stammen? Ging er selbst zu seinem Hinrichtungsplatz? Wo sind die Schuhe? Er kann bei diesem Winterwetter wohl kaum barfuß gelaufen sein.« Maria zeichnete ein paar Striche auf das Papier vor sich, skizzierte den Tatort. »Wir müssen Erika fragen, wenn sie kommt. Hat jemand irgendeine Idee, was da passiert sein kann?«
    »Kann es irgendeine merkwürdige Sekte sein? Teufelsanbeter vielleicht? Das scheint so roh, eine Person auf mehrere Arten hinzurichten. Wenn sie ihn einfach umbringen wollten, hätte das Hängen ja gereicht. Wissen wir etwas über das Zeichen, das in den Stein geritzt ist? Man sollte vielleicht in einem Symbollexikon nachschlagen. Ich kann nachher mal rüber in die Bibliothek gehen, wollte nach der Arbeit sowieso hin.« Arvidsson schnippte ein nicht vorhandenes Staubkorn von seinem Hemdsärmel. »Das Zeichen war in einen Stein geritzt, vielleicht eine Rune? Bei Runen denke ich an Nazis. Die Rune Yoga, ein nordgermanisches Schriftzeichen, wurde auch von okkultistischen Nazigesellschaften verwendet. Die SS- Zeichen beispielsweise sind stilisierte Blitze von Thors Hammer, und die Odalrune, die so viel wie Kultur, Ackerbau und Familie bedeutet, ist auch ein Zeichen, das von den Nazis verwendet wurde. Aber dieses Zeichen auf dem Stein kenne ich nicht.« Maria zeichnete das Symbol, so wie sie es vom Tatort in Erinnerung hatte, auf ihren Block. »Dieser Dick war ja alles andere als homosexuell, Asylbewerber war er auch nicht. Ich glaube, dass zwei Ehemänner ihn aufgehängt haben. Das scheint im Augenblick am nächsten zu liegen. Beide töten ihn, jeder auf seine Weise. Obwohl das nicht die toten Tiere erklärt. Es können auch militante Veganer sein, also solche, die nur pflanzliche Produkte und zum Beispiel keine Milch zu sich nehmen. Dick war ja Schlachter!«, gab Ek zu bedenken. »Das wäre möglich, aber militante Veganer hätten die Tiere nicht geschlachtet«, sagte Hartman nachdenklich und stocherte mit dem Kaffeelöffel in seinem Ohr. »Wenn es Tiere gewesen wären, die von der Fleischindustrie geschlachtet und aufgehängt werden, hätte das einen deutlichen Symbolwert gehabt, aber Katzen und Hunde gehören ja irgendwie nicht dazu.« Die Tür des Sitzungszimmers ging auf, und eine rotwangige Erika Lund stand in der Türöffnung. Hartman fasste schnell zusammen und schickte die fest leere Schale zu Erika, die das letzte Safranstück nahm. »Beide Fußspuren führen zum Mordplatz und zurück hinauf zum Weg. Das Opfer ist also wahrscheinlich vom Weg bis zu dem Baum getragen worden. Es konnten Reifenspuren gesichert werden, ich glaube, die Abgüsse werden sehr brauchbar sein. Fußspuren sind auch gesichert. Im Hinblick auf die Schuhgröße ist es wahrscheinlich, dass zwei Männer die Tat ausgeführt haben, aber da kann man nie sicher sein. Überlegungen müssen frei und vorurteilslos angestellt werden.« Hartman lächelte vor sich hin. Erika Lunds Vermutungen waren stets hervorragend durchdacht, trotzdem war sie schnell mit Vorbehalten bei der Hand und sprach von Mutmaßungen. »Ich denke an eine Art Opfer«, fuhr sie fort. »Ein Wintersonnenwendeopfer. Guckt im Kalender nach, es ist Wintersonnenwende. Was mich als Erstes an eine Opferung hat denken lassen, ist außer den Tierkörpern die Ausführung des Mordes. Odin wird üblicherweise der Gott der Gehängten genannt. Er hing neun Tage von einem Speer durchbohrt in der Esche Yggdrasil, dem Baum des Lebens, um Zugang zu den Runen zu bekommen, sagt der Mythos. Mein Vater war Volksschullehrer und pflegte uns Kindern aus der Hávamál vorzulesen, um uns zu bilden: Ich weiß, dass ich hing am windigen Baum neun Nächte lang, mit dem Ger verwundet, geweiht dem Odin, ich selbst mir selbst. «
    »Das nenne ich ins Schwarze getroffen«, rief Hartman beeindruckt. »Ich würde vorschlagen, wir wenden uns an einen Experten für Ethnologie oder Archäologie.«
    »Ich kenne einen pensionierten Professor, der an der Universität in Uppsala gelehrt hat. Ein Freund der Familie.« Marias Augen leuchteten, als sie an den alten Mann dachte, der so oft in ihrer Familie zu Gast gewesen war. Auf den ersten Blick sah er aus wie ein räudiges Wiesel, aber wenn er über das nordische Altertum sprechen durfte, übertraf er sich selbst
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