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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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ohne zu zögern, auf. »Was tust du hier?«
    »Ich wollte nur mal nachsehen, ob jemand zu Hause ist«, lispelte Edith und hielt sich gut am Fensterbrett fest. »Wie schön, dass du zu Hause bist.«
    »Wolltest du was Bestimmtes?« Maria zitterte in ihrem dünnen Nachthemd. »Nein, ich kam nur vorbei. Du hast nicht zufällig was Starkes zu Hause, das ich über die Feiertage leihen kann? Du kriegst es zurück, sobald der Schnapsladen wieder aufhat. Das verspreche ich dir!«
    »Ich glaube nicht. Willst du nicht nach Hause gehen und schlafen? Es ist Nacht!« Maria sah, wie die alte Frau mit gebeugten Knien dastand und sich mit weißgefrorenen Fingern festhielt. »O.k. ich bringe dich nach Hause, wenn du versprichst, nicht mehr nachts in unserem Garten herumzuschleichen. Das ist nämlich alles andere als angenehm.« Edith murmelte irgendwas Unverbindliches. Maria wickelte sich in ihren langen Wollmantel und stieg in die Stiefel. Kontrollierte zweimal, dass die Haustür wirklich abgeschlossen war, und ging danach hinaus in die Nacht.

DER 23. DEZEMBER

5
    Am Sonnabend, dem 23. Dezember, setzte sich Maria mit einer Tasse Kaffee an ihren Schreibtisch. Sie hatte Lust auf eine Zigarette, nur eine einzige, aber sie konnte sich beherrschen. Sie hatte ja auch gar keine Zeit, hinauszugehen und welche zu kaufen. Einen Augenblick überlegte sie, sich eine von Sturm zu pumpen, schob den Gedanken aber mit Nachdruck von sich. Wie tief war sie in ihrer Begierde schon gesunken, dass sie überhaupt auf so einen Gedanken kam. Maria biss sich in den Daumennagel. Der Kaffee malträtierte ihren Gaumen und hielt die Erinnerung an das Aroma einer Zigarette wach. Sie musste sich entspannen. Gerade jetzt war an allen Fronten Stress angesagt. Heute Morgen hatte ein toter Rabe in der Tür eingeklemmt auf ihrem Balkon gelegen. Maria wusste, dass sie die Tür abgeschlossen hatte. Oder etwa nicht? Als sie aufwachte, war das Haus ausgekühlt gewesen und die Balkontür hatte einen Spalt aufgestanden. Sicher hatte eine Katze den toten Vogel hereingeschleppt, aber dann hätte die Tür richtig offen gewesen sein müssen, nicht nur einen Spalt. Das war unwahrscheinlich! Sie wusste genau, dass sie alle Türen kontrolliert und festgestellt hatte, dass sie abgeschlossen waren, bevor sie sich hingelegt hatte. Mehrmals hatte sie die Griffe probiert. Das Ganze war so absurd, dass sie gar nicht daran dachte, mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Maria hatte eine Plastiktüte über die Hand gezogen und das tote Tier weggeworfen, ehe die Kinder aufwachten und es entdeckten. Erst als sie im Vogelbuch nachgeschlagen hatte, hatte sie überhaupt festgestellt, dass es ein Rabe war. Raben kamen in der Küstenregion nur selten vor. Weiter im Inland konnte man sie häufiger beobachten. Das Ganze war sehr seltsam. Ziemlich apathisch hatte sie die Kinder am Morgen aus den Betten geholt. Maria hatte nicht besonders gut geschlafen, und als sie endlich doch eingeschlafen war, hatte Krister angerufen, er hatte Nachrichten gehört und machte sich Sorgen. Früh am Morgen, so gegen fünf, hatte die Schwiegermutter aus demselben Grund angerufen. Was sie allerdings nicht daran hinderte, später Fragen zu stellen, die für Kleinkinderohren ganz gewiss nicht geeignet waren. Emil hatte seine Mutter mit großen Augen angeschaut und sie gefragt, ob es dem Onkel wehtat, wenn er einen Speer im Bauch hatte. Die Kinder waren bei der Großmutter. Im Augenblick gab es keine andere Lösung. Für Maria waren Überstunden angeordnet worden. Um zehn Uhr sollte sie Professor Höglund vom Bahnhof abholen, bis dahin hatte sie eine Menge Schreibarbeit zu erledigen. Hartman überließ ihr gern diesen Teil der Arbeit, und Maria fand das nicht schlecht, insbesondere nachdem sie im Schreibtisch des älteren Kollegen Formulare gefunden hatte. Diese kopierte er bei Bedarf und umging dadurch den Computer, den er »dieses unzuverlässige Monster« nannte. Maria hatte ihm versprochen, ihm ruhig und methodisch zu erklären, wie man mit dem Programm arbeiten konnte. Die geplanten Privatstunden waren auf eine Zeit verschoben, »wenn es mal ruhiger ist«, was es wohl niemals werden würde. Hartman und Erika Lund waren seit den frühen Morgenstunden in Dick Wallströms Wohnung. Erika war ungewohnt kurz angebunden gewesen, einfach nervös.
    Sicher litt sie an Schlafmangel. Sie hatte auch Probleme mit ihren Wechseljahren, worauf Ragnarsson-Sturm bei passender Gelegenheit gern hinwies. »Rieche ich nach Schweiß,
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