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Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Titel: Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Autoren: Andrea Camilleri
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Eins
    Was für eine hundsgemeine Nacht, er hatte sich pausenlos im Bett herumgewälzt, war weggedöst und wieder wach geworden, war aufgestanden und hatte sich wieder hingelegt. Nicht etwa, weil er es beim Abendessen mit purpi strascinasali oder sarde a beccafico übertrieben hätte, das wäre wenigstens ein Grund für diese quälende Schlaflosigkeit gewesen, aber nein, nicht mal diese Befriedigung hatte er gehabt; abends war sein Magen so zugeschnürt gewesen, dass kein Grashalm hineingegangen wäre. Das lag an den düsteren Gedanken, die ihm ein Beitrag in den Fernsehnachrichten beschert hatte. »Ersoffen und noch vom Stein getroffen«, heißt es im Volksmund, wenn ein Unglücksrabe von einer unerträglichen Pechsträhne heimgesucht wird. Und da er jetzt schon seit ein paar Monaten verzweifelt in einem aufgewühlten Meer schwamm und sich manchmal verloren fühlte wie ein Ertrinkender, traf ihn dieser Bericht wirklich wie ein Stein, und zwar mitten auf den Kopf; der Schlag betäubte ihn und raubte ihm seine letzten, schwindenden Kräfte.
    Mit gleichgültiger Miene hatte die Reporterin mitgeteilt, die Staatsanwaltschaft Genua sei in Zusammenhang mit der Erstürmung der Diaz-Schule während des G8-Gipfels zu der Überzeugung gekommen, dass die Polizisten die beiden in der Schule gefundenen Molotow-Cocktails dort selbst deponiert hätten, um die Aktion zu rechtfertigen.
    Man habe festgestellt - fuhr die Reporterin fort -, dass der Beamte, der bei der Erstürmung angeblich von einem Globalisierungsgegner mit einem Messer angegriffen worden war, gelogen habe: Er habe sich den Schnitt an der Uniform selbst zugefügt, um zu beweisen, wie gefährlich diese Jugendlichen seien, doch mittlerweile sei herausgekommen, dass sie in der Schule friedlich geschlafen hatten.
    Nach dem Bericht saß Montalbano eine halbe Stunde in seinem Fernsehsessel, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sprachlos vor Wut und Scham und schweißgebadet.
    Er fand nicht mal die Kraft, aufzustehen und ans Telefon zu gehen, das schon lange klingelte. Man brauchte über solche Meldungen, die die regierungsfreundlichen Medien tröpfchenweise verlautbaren ließen, nur ein bisschen nachzudenken, und schon hatte man ein klares Bild vor Augen: Seine Mitstreiter und Kollegen waren in Genua, als niemand damit rechnete, ohne jede Rechtsgrundlage gewaltsam vorgegangen, das war eine Art kaltblütiger Racheakt, obendrein mithilfe getürkter Beweise. So etwas rief verdrängte Aktionen der faschistischen Polizei oder der Polizei unter Innenminister Scelba in Erinnerung. Irgendwann beschloss Montalbano, ins Bett zu gehen. Als er vom Sessel aufstand, fing das blöde Telefon schon wieder an zu klingeln. Automatisch nahm er ab. Es war Livia.
    »Salvo! Mein Gott, ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen! Ich habe mir langsam Sorgen gemacht! Hast du das Telefon denn nicht gehört?«
    »Doch, aber ich hatte keine Lust dranzugehen. Ich wusste ja nicht, dass du es bist.«
    »Was machst du gerade?«
    »Nichts. Ich habe an das gedacht, was vorhin in den Nachrichten kam.«
    »Über Genua?«
    »Ja.«
    »Ah. Ich habe den Bericht auch gesehen.« Pause. Und dann:
    »Ich wäre jetzt gern bei dir. Ich könnte morgen kommen, was meinst du? Dann reden wir in Ruhe über alles. Du wirst schon sehen, dass …«
    »Livia, da gibt's nicht mehr viel zu reden. Wir haben in den letzten Monaten doch so oft darüber gesprochen. Ich bin fest entschlossen.«
    »Wozu denn?«
    »Ich kündige. Morgen gehe ich zum Questore; Bonetti-Alderighi wird sich freuen.«
    Livia antwortete nicht sofort, und Montalbano glaubte, die Verbindung sei abgebrochen.
    »Livia? Bist du noch dran?«
    »Ich bin noch dran. Salvo, ich halte es für einen Riesenfehler, so zu gehen.«
    »Was meinst du mit ›so‹?«
    »Wütend und enttäuscht. Du willst die Polizei verlassen, weil du dich fühlst, als hätte dich ein dir naher Mensch verraten, und deshalb …«
    »Livia, ich fühle mich nicht verraten. Ich bin verraten worden. Hier geht's nicht um Gefühle. Ich habe meinen Beruf immer mit Anstand ausgeübt. Als Ehrenmann. Wenn ich einem Kriminellen mein Wort gegeben habe, habe ich es auch gehalten. Und dafür respektiert man mich. Das ist meine Stärke, verstehst du? Aber jetzt reicht's mir, ich hab die Schnauze voll!«
    »Bitte schrei nicht«, sagte Livia mit zitternder Stimme.
    Montalbano hörte sie nicht. In ihm war ein Geräusch, als finge sein Blut gleich an zu kochen. Er fuhr fort:
    »Nicht mal dem
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