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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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wie es lateinisch heißt, ›Im Übrigen singt man bei diesen Opferfeierlichkeiten üblicherweise vielerlei Gesänge, die unanständig sind und deshalb am besten verschwiegen werden‹, berichtet Adam von Bremen. Es kamen auch Menschenopfer vor, häufig Fremde oder Sklaven, aber in schweren Zeiten schlechter Ernten wurde der König geopfert. Ihr kennt vielleicht Carl Larssons großes Werk ›Mittwinteropfer‹, wo der König von Svea geopfert wird. Das Opferfleisch wurde gekocht und gegessen. Aus dem Blut der Opfertiere las man Orakel.«
    »Wie ekelhaft! Aßen die Menschenfleisch? Ich hoffe, dass bei Dick Wallström keine wesentlichen Teile fehlen«, sagte Ek und runzelte die Stirn. »Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Schilderung von Bischof Adams Ansichten über die Heiden beeinflusst ist«, gab Professor Höglund, der große Schwierigkeiten hatte, sich auch nur für einen Moment von der vorgeschichtlichen Zeit zu lösen, zu bedenken. »Es gibt keine Belege dafür, dass Menschenfleisch gegessen wurde, keinerlei Beweise, aber die Opfertiere wurden gekocht und gegessen. Bei richtigen Festessen und Feiern konnten auch Rededuelle ausgetragen werden, einfach zur Unterhaltung provozierte man sein Gegenüber mit Schamlosigkeiten. Die brauchten nicht wahr zu sein, nur grob genug, um den anderen zu verblüffen.« Maria, die merkte, dass der Professor sich schon wieder vom eigentlichen Thema entfernte, wollte wissen, was man denn während der Wikingerzeit für Moralbegriffe und Lebensanschauungen gehabt hatte. »Wenn der Mörder so viel vom Asen-Glauben angenommen hat, wie man bisher vermuten kann, hat er sich vielleicht auch die Wertvorstellungen jener Zeit angeeignet.«
    »Natürlich gab es Moral! Das Schlimmste, was ein Mensch tun konnte, war, seinen Eid zu brechen oder einen Meuchelmord zu begehen. Außerdem waren verwandtschaftliche Bande und Rache zentrale Begriffe. Wenn beispielsweise der Ehemann den Bruder seiner Frau tötete, war sie verpflichtet, das zu rächen, indem sie ihren Mann und die gemeinsamen Kinder tötete. Gaben und Gegengaben waren auch wichtig, man sammelte keine Schätze an, sondern gab, was man hatte, stattdessen seinen Freunden. Außerdem glaubte man sehr stark an das Schicksal und fasste häufig Beschlüsse, indem man das Los warf. Die drei Schicksalsgöttinnen, die Nornen, spannen die Fäden des Lebens und verteilten das Schicksal an die Menschenkinder. Diebstahl war ein viel schwereres Verbrechen als der Mord an einem Fremden.«
    »Der Mann war von einem Speer durchbohrt.« Erika nahm ein Foto der Waffe und zeigte es dem Professor, der sein Entzücken deutlich zeigte und die Brille auf die Nasenwurzel drückte, um besser sehen zu können. »Seht ihr die Verzierung mit Silber- und Kupferdraht? Das ist einzigartig, phantastisch schön! Das könnte ein Speer aus dem achten Jahrhundert sein, der auf Valsgärde in Uppland gefunden und im November 1986 aus dem dortigen Landesmuseum gestohlen wurde. Das muss 1986 gewesen sein, im gleichen Jahr wie das Unglück in Tschernobyl. Wenn ich mich nicht täusche, so erinnere ich mich vage daran, dass kurz nach dem Diebstahl ein Mann in einem Gehölz nahe bei der Kirche in Gamla Uppsala aufgehängt wurde. Ein Mord! Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ein solcher Speer, wie Sie ihn hier auf dem Foto haben, im November 1986 aus dem Upplandsmuseum gestohlen wurde. Für das Museum, das die Ausstellung aus Stockholm ausgeliehen hatte, war es ein großer Verlust.«
    »Dann lägen also neun Jahre zwischen den beiden Morden durch Erhängen. Neun war doch eine heilige Zahl?« Hartman sah den Professor fragend an. Der lächelte zustimmend. »Im Heidentempel von Uppsala hatte man, Adam von Bremen zufolge, alle neun Jahre ein Totenopfer.« Erikas Gesicht hatte vor Eifer rote Flecken bekommen. Es war nicht leicht, den Professor mit Fragen zu unterbrechen, wenn er sich in die nordische Mythologie vertiefte.
    »Die Nägel des Opfers waren an Fingern und Zehen weit ins Fleisch hinein abgeschnitten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Mann das selbst getan hat.«
    »Keinesfalls, keinesfalls. Die Nägel der Toten wurden sehr sorgfältig geschnitten. Die Riesen, die die Feinde der Asen und der Menschen waren, hatten ein Schiff, Naglfar, das aus den Nägeln der Toten gebaut war, und bei Ragnarök, dem Weltuntergang, erwartete man, dass das Schiff sich losreißen und die Riesen damit zur Walstatt gefahren würden. Man wollte für dieses Fahrzeug wohl nicht mehr Baumaterial
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