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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann
Autoren: Minka Pradelski
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des Mantels zu verhandeln, dann wusste der Teitelbaum, dass der Bauer dem Zauber des Geldmantels verfallen war. Einige Bauern haben sogar geglaubt, in Teitelbaums Geldmantel das ganz große Glück zu finden und auf ein eingenähtes Säckchen Gold oder Silber zu stoßen oder zumindest auf eine vollgestopfte Brieftasche mit ein paar tausend Zloty.
    Es nimmt schon Wunder, dass sich der Trick nicht herumgesprochen hat, aber kein Bauer hat je ein Sterbenswörtchen über den Kauf des Geldmantels verloren. Viel zu sehr hätte er sich wegen der Täuschung geschämt. Denn die gefundenen Geldscheine im Mantel hatten nur einen ganz geringen Wert. Um die Wahrheit zu sagen, lag er weit unter dem, was der Bauer sich beim Teitelbaum hätte aushandeln können, wenn er beim Kauf des Mantels nur einen kühlen Kopf behalten hätte.
    So hat der Teitelbaum immer wieder neue Bauern für seine Mäntel gefunden. Nur hatte er sich in all den Jahren die Gesichter der Käufer einprägen müssen, um nicht ein zweites Mal auf einen an der Nase herumgeführten Bauern zu stoßen. Der hätte ganz sicher das Geld aus der Manteltasche gestohlen und wäre davongelaufen. Und der Teitelbaum hätte ihm nicht einmal nachlaufen können, um ihn des Diebstahls zu bezichtigen.
    Wie ich davon erfahren habe? Poldek und Samek haben sein Geschäftsgeheimnis verraten, aber das war schon kurz vor dem Einmarsch. Sie waren nicht so gut auf den Teitelbaum zu sprechen, weil er sie nicht mehr als Rufer engagierte. Die safrangelben Brüder waren damals sehr böse auf ihren reichen Verwandten, denn sie selbst waren bettelarm. Sie waren so arm, dass sie mit gesenktem Kopf spazieren gingen, nicht weil sie sich schämten, dass sie so arm waren, und deswegen den Kopf nicht hoben, nein, sie taten es aus Not, weil sie hofften, auf dem Boden ein kleines Geldstück oder etwas Brauchbares zu finden, was einem, der einen satten Bauch hat, nicht ins Auge springt. Und sie haben aus allem, was sie auf dem Boden gefunden haben, etwas gemacht, aus einem Stück Eisen, einem Zigarettenstummel, einem achtlos fortgeworfenen alten Lappen. Und auch die rothaarigen Kinder der beiden Brüder, allen voran die Älteste, die Tochter vom Poldek, die feuerrote Laje Dresel, ist mit eben diesem Blick nach unten gegangen, weil sie gar nicht wusste, dass man sorglos mit erhobenem Kopf durch die Straßen gehen kann, und ihre vier Brüder, Cousins und Cousinen haben der feuerroten Laje Dresel alles nachgemacht, weil die Älteste die Jüngeren anführt und ihnen beibringt, was im Leben wichtig ist. So konnte man die Teitelbaumfamilie schon von weitem erkennen, und sie haben sogar, als sie einmal für kurze Zeit zu Geld gekommen sind, aus reiner Gewohnheit den Kopf nicht heben können.«
    Frau Kugelmann holt tief Luft, und dann sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus, sie verschluckt sich und versucht noch während des Abhustens weiterzureden, als fürchte sie, eine kleine Pause könne meine Bereitschaft, ihr zuzuhören, zunichte machen und sie müsse dann erneut um meine Aufmerksamkeit kämpfen. Sie rührt mich, stelle ich wider Erwarten fest.

Unser Fürstentum
    »Jeden Morgen«, sagt sie, »auf dem Weg zu unserem Gymnasium, begegnete ich der feuerroten Laje Dresel. Sie besuchte mit ihren beiden jüngeren Schwestern das Beth Jakow, eine Schule für fromme Töchter. Das Beth Jakow wurde von einem Wohltäter eingerichtet, der Joine Breitschwanz hieß. Der edle Spender war ein zu einigem Reichtum gekommener Metzger, ein Wurstfabrikant, dem seine fünfzehn wohlgeratenen Kinder beim Einpökeln der dicken Würste fleißig zur Hand gingen. Er stellte den frommen Mädchen das oberste Stockwerk seiner Wurstfabrik für den Unterricht zur Verfügung. Laje Dresel und ihre Geschwister mussten wohl ganz schön abgehärtet gewesen sein, wenn sie in einem Gebäude lernen konnten, in dem unten im Keller das Blut der geschächteten Tiere floss, dachte ich und erschauerte jedes Mal, wenn sich unsere Wege kreuzten.
    Es ist kaum zu glauben, aber wir verdanken unser vornehmes Gymnasium einem missratenen Geschwisterpaar. Der Vater der ungezogenen Kinder hieß Abraham Fürstenberg und war bei weitem der reichste und mächtigste Industrielle in unserer Stadt. Der vornehme Fürstenberg war ein Mann der guten Tat. Man nannte ihn einen schönen Juden, obwohl er kahl und fettleibig war, denn er war ein Wohltäter, ein Gönner, ein Mäzen, ein Mann, der Gutes tat. Jedes Jahr ließ er nach Sukkot, unserem Feiertag, der den Herbst
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