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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann
Autoren: Minka Pradelski
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nie durch das Hauptportal betreten haben!«
    Eine Frage wird ja wohl noch erlaubt sein, denke ich, als sie mich verärgert anblickt. Schließlich befinden wir uns in meinem Zimmer. Ich habe hier das Hausrecht.
    »Niemals«, antwortet sie ungehalten. »Schauen Sie, wir haben unsere Lehrer verehrt. Sie stammten fast alle aus Galizien, unserem intellektuellen Reservoir, deshalb haben wir sie alle mit dem Titel Professor angeredet«, sagt sie schnell und will nach ihren Zöpfen greifen.
    »Einen Moment noch. Sagen Sie, wer von Ihren Lehrern hat denn überlebt?«
    »Ich glaube, es ist an der Zeit zu gehen«, sagt sie getroffen, blickt mich unruhig an, steht auf und verlässt, einen Abschiedsgruß murmelnd, das Zimmer.
    Sie duldet keine Fragen, die nicht in ihrem Sinne sind. Aber ich lasse mir doch nicht den Mund verbieten. Sie raubt mir meine kostbare Zeit. Morgen lasse ich sie nicht mehr in mein Zimmer. Ich stehe auf, um nachzusehen, ob sie auf dem Flur auf mich lauert. Glücklich, endlich allein zu sein, versperre ich sorgfältig meine Zimmertür. Nun kann ich mich ungestört meinen Gewohnheiten widmen.
    Wann immer ich ein fremdes Hotelzimmer betrete, studiere ich zunächst mit aller Gründlichkeit den Fluchtplan. Präge mir genau die Fluchtwege ein, bereite mich sorgfältig auf ein möglicherweise plötzlich ausbrechendes Feuer vor und übe den Ernstfall. Ich befeuchte ein Gästehandtuch, lege es um Mund und Nase, überprüfe mit der Stoppuhr, wie viel Zeit ich benötige, um den rettenden Ausgang zu erreichen. Einmal habe ich mich so intensiv vorbereitet, dass ich einen Brand mit einem schnell um sich greifenden Feuer regelrecht herbeigesehnt habe. Vom Flurtelefon aus habe ich einen Flächenbrand gemeldet. Den Anweisungen des Personals folgend bin ich nicht in Panik geraten, habe Ruhe bewahrt, das Feuerlöschgerät nach Vorschrift betätigt, den weißen Schaum in alle Ecken verspritzt und mich zusammen mit anderen gefährdeten Hotelgästen von der eintreffenden Feuerwehr mit einer Drehleiter von meinem Balkon in Sicherheit bringen lassen.
    Zu Hause, in Frankfurt, habe ich eine Direktleitung zur Feuerwehr. Im Übrigen lebe ich bescheiden von einer kleinen Erbschaft meiner früh verstorbenen Eltern, die ich sorgsam verwalte. In geschäftlichen Dingen habe ich eine durchaus glückliche Hand. Darum achte ich darauf, dass sich das Geld nicht allzu schnell vermehrt, sonst gäbe ich den erwirtschafteten Gewinn für eine großräumige Wohnung aus, deren Zimmer ich, abgesehen vom Schlafzimmer, allesamt in moderne Einbauküchen verwandeln würde, bis zur Decke gefüllt mit doppelwandigen Gefrierschränken. Möglichst sieben an der Zahl, damit ich jede Nacht in einer anderen Küche meiner Lust nachgehen könnte.
    Am Nachmittag bin ich unter dem Vorwand, ich sei Diabetikerin und müsse meine Insulinspritzen im Hotelkühlschrank unterbringen, aus Neugierde in die Hotelküche hinuntergegangen.
    »Sie haben doch einen Kühlschrank im Zimmer«, wundert sich Daud, der junge Küchengehilfe mit dem großen Adamsapfel und einem kleinen Ohrring im linken Ohr.
    »Ja, aber die sperrige Tasche mit meinen Medikamenten passt nicht in die knapp bemessenen Regale. Ich kann nur eine Tagesration in meinem Zimmer aufbewahren«, antwortete ich und blicke ihn dabei hilfesuchend an. Daud gibt sich geschlagen und erlaubt mir die gesamte Kühleinrichtung einer gründlichen Inspektion zu unterziehen. Fisch und Fleisch haben eigene moderne Gefrierkammern, in denen man in der dampfenden Kälte, gebückt wie in einem Tierkäfig, umhergehen kann. Das junge gefrorene Gemüse liegt herzzerreißend stiefmütterlich behandelt in einem uralten Gefrierschrank, der keine gleichbleibende Kühlung mehr garantiert.
    »Das Einfrieren von Gemüse lohnt sich kaum, das Hotel wird jeden Morgen mit frischem Gemüse vom Markt beliefert«, erklärt er.
    »Wozu dann der Gefrierschrank?«
    »Wir müssen alles ständig vorrätig haben.«
    »Können Sie mir bitte den Küchenschlüssel geben, damit ich unabhängig von Ihrer Arbeitszeit an meine Medikamente komme?«
    »Das kann ich nicht. Es ist wegen dem Maschgiach, wissen Sie, dem Aufseher, der auf die Einhaltung der Speisegesetze achtet. Ich darf niemanden ohne Aufsicht in die Küche lassen.«
    »Ich will mich auch gerne erkenntlich zeigen«, sage ich.
    »Gut, dann nennen Sie mich David«, sagt er erfreut.
    »Warum denn das?«, frage ich.
    »Es ist besser, wenn Sie David zu mir sagen, einige Angestellte hier im Hotel nennen
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