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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann
Autoren: Minka Pradelski
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mich so, sie wollen nicht daran denken, dass ich Araber bin, obwohl ich einen israelischen Pass habe.«
    »Und Sie lassen zu, dass man Ihren Namen hebräisiert?«
    »Ich muss mich anpassen, sonst verliere ich meine Arbeit.«
    Verrücktes Land, muss denn hier jeder seinen Namen ändern? Womöglich wird die falsche Silberberg noch unter Eid aussagen, dass ich ihren Namen usurpiert, ihre Biographie gestohlen habe, ihr nach dem Leben trachte. Man wird mich meines angestammten Namens berauben, meinen Pass vor meinen Augen zerreißen, mich außer Landes weisen, mir vor der Abreise einen neuen Pass aushändigen, mit einem vorläufigen, sechs Monate lang gültigen neuen Namen, womöglich dem Namen eines jüngst auf der Straße verstorbenen Unfallopfers, dessen von Blut und Sehnen gesäuberter Name gerade verfügbar wurde, denn ohne einen eigenen Namen darf niemand die Grenzkontrolle des Flughafens passieren, um dieses Land endlich ein für alle Mal zu verlassen.
    »Mit einem Araber wollen sie nicht zusammenarbeiten«, reißt mich Daud aus meinen Gedanken, »nennen Sie mich deshalb besser David.«
    »Gut, David. Ich nenne Sie, wie Sie wollen. Ich sage auch gerne König David zu Ihnen, wenn Sie mir nur den Küchenschlüssel aushändigen«, verspreche ich ihm, stecke den Schlüssel ein, verabschiede mich und beeile mich, aus dem Hotel zu kommen, bevor DaudDavid es sich anders überlegt.
    Tagsüber schlendere ich die Straßen entlang, um mir die Stadt anzusehen. Am Abend im Hotelzimmer schaue ich mir ein Album an, das ich von zu Hause mitgebracht habe. Abbildungen von Tiefkühlkost bereiten mir seit meiner Entwöhnung Freude. Jede ausgeschnittene Abbildung wird mit einer farbigen Klarsichtfolie vor meinen gierigen Händen geschützt. Es genügt bereits, eine Abbildung, auf die ich am Abend Lust habe, in Gedanken aufzutauen, um den kleinen sättigenden Genuss zu erleben, ohne den ich nicht mehr einschlafen kann.
    Eine Stunde später wache ich auf und öffne nochmals das Album. Nichts bringt mir die gewünschte Befriedigung. Bilder überfallen mich, werfen ihre Fangnetze über mich. Ich sehe, wie sich ein Paket Bohnen aus den Abbildungen herauslöst, sich zu formen und zu wachsen beginnt. Zitternd vor Sehnsucht greife ich nach den Bohnen. Ehe ich sie zum Mund führe, schmelzen sie in meiner Hand. Plötzlich erstarren meine Hände zu einem Klumpen Eis. Schneeflocken fallen von der Hoteldecke auf mich herab und türmen sich innerhalb kürzester Zeit zu einer glasigen, zentimeterdicken Eiswand, hinter der ich mit gefesselten Händen zuschauen muss, wie butterzarte Gemüseteilchen in nie endender Fülle an meinem Eisfenster herabgleiten. Während vor meinem Hotelfenster die aufsteigende brütende Hitze des Tages sich langsam auszubreiten beginnt, verhungere ich qualvoll, abgeschirmt von der Wirklichkeit, im Angesicht meiner eiskalten, unerreichbaren Lieblinge.
    Das Klopfen an der Tür rüttelt mich auf. Es ist inzwischen Morgen geworden, und Frau Kugelmann steht schwer atmend vor der Tür. Sie sieht gar nicht so übel aus in ihrem ärmellosen gemusterten Sommerkleid, angenehm frisch nach Kernseife duftend, obwohl ich den Geruch von Kernseife eigentlich gar nicht mag. Frau Kugelmann schwitzt. Sie ist noch erhitzt vom Treppensteigen, die rundlichen Arme hängen kraftlos herab. Frau Kugelmann lehnt es ab, einen Aufzug zu benutzen, sie läuft lieber die drei Stockwerke zu Fuß hinauf. Ihr Anblick rührt mich. Ich lasse sie entgegen meinem gestrigen Vorsatz eintreten und bereue es im nächsten Augenblick. Als sie an mir vorbeigeht, sehe ich, dass sie mit der linken Hand ihre Basttasche umklammert, in der rechten eine mit Eis gefüllte Plastikflasche trägt, die sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Was will sie mit dem Eis, denke ich. Ich dulde kein Eis in meinem Zimmer. Will sie etwa, dass ich rückfällig werde? Womöglich wird sie den Flaschenhals aufschneiden, das Eis herausbrechen, es sich schmatzend in den Mund stecken und mich dabei keck mit ihren kugelrunden Augen ansehen. Ich werde die Eisstücke zwischen ihren falschen Zähnen aufblitzen sehen, ein verzehrendes Verlangen wird in mir aufsteigen, mich von Kopf bis Fuß überfluten und meinen willenlosen Körper wie eine mannshohe Welle mit sich reißen.
    »Was wollen Sie mit der Flasche?«, frage ich lauernd, bereit, mich auf sie zu stürzen, um ihr die gefährliche Flasche zu entreißen.
    »Man muss in diesem Land bei der Hitze viel trinken. Wissen Sie das nicht? Jedes Schulkind
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