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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Ding Dong. Es klingelt. Ich gehe zur Tür, öffne und stehe einem Känguru gegenüber. Ich blinzle, kucke hinter mich, schaue die Treppe runter, dann die Treppe rauf. Kucke geradeaus. Das Känguru ist immer noch da.
    »Hallo«, sagt das Känguru.
    Ohne den Kopf zu bewegen, kucke ich noch mal nach links, nach rechts, auf die Uhr und zum Schluss auf das Känguru.
    »Hallo«, sage ich.
    »Ich bin gerade gegenüber eingezogen, wollte mir Eierkuchen backen, und da ist mir aufgefallen, dass ich vergessen habe Eier zu kaufen …«
    Ich nicke, gehe in die Küche und komme mit zwei Eiern zurück.
    »Vielen lieben Dank«, sagt das Känguru und steckt die Eier in seinen Beutel.
    Ich nicke und es verschwindet hinter der gegenüberliegenden Wohnungstür. Mit meinem linken Zeigefinger tippe ich mir mehrmals auf meine Nasenspitze – und schließe die Tür.
    Bald darauf klingelt es wieder. Sofort reiße ich die Tür auf, denn ich stehe immer noch dahinter.
    »Oh!«, sagt das Känguru überrascht. »Das ging aber schnell. Gerade ist mir aufgefallen, dass ich auch noch kein Salz habe …«
    Ich nicke, gehe in die Küche und komme mit einem Salzstreuer wieder.
    »Vielen Dank! Wenn Sie vielleicht noch ein wenig Milch und Mehl hätten …«
    Ich nicke und gehe in die Küche. Das Känguru nimmt alles, bedankt sich und geht. Zwei Minuten später klingelt es wieder. Ich öffne und halte dem Känguru Pfanne und Öl hin.
    »Danke«, sagt das Känguru. »Wenn Sie vielleicht noch einen Schneebesen hätten oder ein Rührgerät …«
    Ich nicke und gehe los.
    »Und vielleicht eine Schüssel zum Mixen?«, ruft mir das Känguru hinterher.
    Zehn Minuten später klingelt es wieder.
    »Kein Herd …«, sagt das Känguru nur.
    Ich nicke und gebe den Weg frei.
    »Gleich rechts«, sage ich.
    Das Känguru geht in die Küche, und ich folge ihm. Es stellt sich so ungeschickt an, dass ich die Pfanne übernehme.
    »Wenn Sie vielleicht noch etwas zum Füllen hätten …«, sagt das Känguru. »Buntes Gemüse oder gar Hackfleisch?«
    »Hackfleisch müsste ich erst kaufen«, sage ich.
    »Kein Problem. Ich hab Zeit«, sagt das Känguru. »Es ist eh besser, wenn der Teig noch etwas Luft bekommt.«
    Ich nehme den Schlüssel vom Haken.
    »Aber nicht zu Lidl!«, ruft mir das Känguru hinterher. »Die Arbeitsbedingungen da sind unter …«
    Ich gehe also zum Metzger und kaufe Hackfleisch. Als ich wieder ins Haus komme, begegnet mir die Nachbarin von unten.
    »Ham Se den Neuen jesehen?«, fragt sie.
    Ich nicke.
    »Na, der ist ja wohl och nich von hier, wa?«, fragt sie undkratzt sich an ihrem Hitlerbärtchen. Natürlich hat sie nicht wirklich einen Bart. Es ist eher ein Flaum. Ein Hitlerfläumchen.
    »Bald übanehm die verdammten Türken dit janze Haus.«
    Ich schaue noch mal genauer hin. Hm. Vielleicht ist es doch ein Bärtchen.
    »Wat kieken Se denn so?«, fragt sie.
    »Ich glaube, es kommt aus Australien«, sage ich.
    »Hm. Australien sag’n Se. Kann och sein. Aba ejal woher. Dieser Islam macht mir jedenfalls janz narvös.«

Poch Poch. Es klopft. Wer mag das sein zu dieser Zeit? Ich gehe zur Tür und öffne.
    »Ah. Sie sind’s«, sage ich.
    »Hallo«, sagt das Känguru. »Darf ich reinkommen?«
    »Bitte«, sage ich.
    Es hüpft an mir vorbei ins Wohnzimmer.
    »Mögen Sie Nirvana?«, fragt es und fläzt sich in den Sessel.
    »Die Band?«, frage ich und lasse mich aufs Sofa fallen.
    »Nein, das Jenseits!«, sagt es. »Natürlich die Band! Sie stellen wohl gern unnötige Fragen …«
    »Ja.«
    »Was ja? Sie mögen Nirvana oder Sie stellen gern unnötige Fragen?«
    »Beides«, sage ich. »Ich lebe nach der Devise: Lieber fünf Mal nachgefragt als einmal nachgedacht. Und Nevermind war damals die erste Platte, die ich mir selbst im Laden gekauft habe.«
    »Wirklich?«, fragt das Känguru.
    »Nein. In Wahrheit war es Hier kommt Kurt von Frank Zander.«
    »Ohne Helm und ohne Gurt. Einfach Kurt?«, fragt das Känguru.
    »Ja«, sage ich. »Einfach Kurt. Aber ich wünschte, es wäre Nevermind gewesen.«
    »Sehen Sie mal, was ich zufällig dabeihabe«, sagt das Känguru und zieht eine ziemlich blaue Schallplatte aus seinem Beutel. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich die mal auflege? Ich hab nämlich zu Hause meine Anlage noch nicht angeschlossen und …«
    Ich nicke und deute auf den Plattenspieler.
    Here we are now – entertain us …
    »Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?«, setzt das Känguru unser Gespräch fort.
    »Wieso?«, frage ich.
    »Sie sind
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