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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken
Autoren: Marc-Uwe Kling
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kann nix mehr sehen!«, rufe ich. »Nur tanzende, leuchtende Flecken.«
    »Das ist ja der Witz«, sagt das Känguru.
    Kurze Zeit später wird das Essen serviert.
    »Meins schmeckt ziemlich trocken«, mault das Känguru.
    »Das liegt wahrscheinlich daran, dass du die Tischdekoration isst«, sage ich.
    »Pfuäh!«, spuckt das Känguru aus. »Wie bescheuert ist das denn? Tischdekoration in einem Dunkelrestaurant!«
    Während ich noch versuche, Messer und Gabel zu koordinieren, schmatzt das Känguru schon.
    »Darf ich mal deins probieren?«, fragt es.
    »Ja«, sage ich, »mach.«
    »Hm«, sagt das Känguru. »Irgendwie glibschig. Und das hier fühlt sich an wie Salat.«
    »Ey!«, rufe ich. »Patschst du mit deiner Pfote in meinem Essen rum?«
    »Äh … nein«, sagt das Känguru.
    Schweigend lauschen wir den Essgeräuschen der anderen.
    »Die Essgeräusche der Anderen«, murmle ich. »Glaubst du, das wäre ein guter Titel für einen Arthouse-Film?«
    »Wenn du auf eins verzichten müsstest«, fragt das Känguru, ohne auf meine Idee einzugehen. »Reden, Hören oder Sehen. Auf was würdest du verzichten?«
    »Das ist einfach«, sage ich. »Aufs Hören.«
    »Warum?«
    »Dann müsste ich dein Geschwätz nicht mehr ertragen.«
    »Ach ja?«, sagt das Känguru. »Und ich würde liebend gerne aufs Sehen verzichten, um deine Hackfresse nicht mehr ertragen zu müssen.«
    »Ich finde, du solltest lieber aufs Reden verzichten«, sage ich. »Dann müsste ich nicht aufs Hören verzichten.«
    »Ich finde, du solltest aufs Sehen verzichten, dann müssteich nicht … Nee, Moment mal. Nee, du solltest auch aufs Reden verzichten oder aufs Hören …«
    »Weißt du was?«, sage ich. »Ich verzichte auf gar nichts.«
    »Du musst aber«, sagt das Känguru und schlägt dabei wild mit seinen Pfoten in die ungefähre Richtung, aus der es meine Stimme zu hören glaubt.
    »Muss ich gar nicht«, sage ich und schlage wild zurück ins Dunkle. Irgendwen erwischen meine Schläge auch. Ob es das Känguru ist, kann ich natürlich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Wenige Augenblicke später allerdings ist der gesamte Saal in Aufruhr, und es folgt die größte Massenkeilerei im Dunkeln seit Menschengedenken. Heimlich stehlen das Känguru und ich uns davon.
    Als wir nach draußen kommen, fällt das Känguru auf die Knie, küsst den Boden und schreit: »Ich kann wieder sehen!«
    »Und ich kann dich leider immer noch hören«, seufze ich.

»Wir haben schon lange nichts mehr zusammen gemacht«, sagt das Känguru in vorwurfsvollem Ton.
    »Du meinst seit gestern?«, frage ich. »Was willst’n machen?«
    »Kino«, sagt es.
    »Was’n?«
    »Ein Blockbuster.«
    »Ach nee«, sage ich. »Dann meckerst du wieder jedes Mal, wenn die amerikanische Flagge im Bild ist, also quasi die ganze Zeit.«
    »Nee. Mach ich nicht. Versprochen«, sagt das Känguru. »Pionierehrenwort.«
    Als wir am Abend so weit sind die Wohnung zu verlassen, nimmt das Känguru den Müllbeutel aus dem Mülleimer.
    »Was machst’n da?«, frage ich. »Das machste doch sonst nie.«
    »Doch«, sagt das Känguru. »Wohl!«
    Zehn Minuten später händigt uns der Junge im Kartenhäuschen des Multiplex-Kinos unsere Tickets aus – nebst einem Haufen Flyer, Gutscheinheften, Programminformationen und Werbung für Restaurants im Umkreis von einhundert Kilometern. Das Känguru nimmt den Stapel entgegen.
    »Oh! Vielen Dank!«, sagt es. »Ich habe Ihnen hier auchetwas von meinem Müll mitgebracht«, und es stopft den Müllbeutel so weit wie möglich durch die kleine Öffnung in der Glasscheibe des Kartenhäuschens.
    »Du wolltest ja gar nicht ins Kino gehen«, sage ich. »Du hattest dir nur diesen Spruch ausgedacht und wolltest …«
    »Na und?«, unterbricht mich das Känguru. »Lass uns nach Hause gehen. Der Film ist bestimmt eh scheiße. Und wahrscheinlich sieht man in jeder zweiten Einstellung die amerikanische Flagge …«

»Masseltow!«, sagt das Känguru.
    »Wie bitte?«, frage ich.
    »Ich bin Teil der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung«, sagt es.
    »Alter!«, sage ich. »Unser Gespräch drehte sich bis eben noch um Nuss-Nougat-Creme-Brötchen. Wie kommst du denn jetzt da drauf?«
    »Ich wollt’s halt mal erwähnt haben«, sagt das Känguru.
    »Fein«, sage ich. »Dann können wir ja jetzt zu Ende diskutieren, ob Nuss-Nougat-Creme auf Laugengebäck gehört oder nicht.«
    »Natürlich«, sagt das Känguru und lächelt. »Gerne.«
    Schweigen.
    Ich trommle mit den Fingern auf dem
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