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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken
Autoren: Marc-Uwe Kling
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schluchzt.
    »Und ich würde echt gerne mitmachen in deiner Bande.«
    Das Känguru löst sich von mir.
    »Wirklich?«, fragt es.
    »Na klar!«, sage ich.
    Jetzt lächelt es wieder, nur seine Augen sind noch ein wenig verheult.
    »Dann müssen wir dich jetzt offiziell aufnehmen«, sagt es.
    Es kramt in seinem Beutel nach dem kleinen roten Buch und legt meine Hand darauf.
    »Und jetzt: Sing!«

Das Känguru sitzt am Küchentisch und klopft mit Messer und Gabel darauf herum. Dabei ruft es: »Ich habe Hunger Hunger Hunger, habe Hunger Hunger Hunger, habe Hunger Hunger Hunger, habe Durst!«
    »Ach kuck«, sage ich. »Und jetzt soll ich springen und Essen machen.«
    »Ja. Sonst verhau ich dich«, sagt das Känguru.
    »Nee, Freundchen. So nicht«, sage ich und lasse den Kochlöffel wieder sinken. Das Känguru boxt mich auf den Oberarm. »Aua!«, protestiere ich. »Das ist aber nicht richtig!«
    »Ach, richtig, falsch …«, sagt das Känguru, »das sind doch bürgerliche Kategorien.« Und es boxt mich ein weiteres Mal.
    »Ey! Gewalt ist die Sprache der Dummen!«, rufe ich.
    »Nee«, sagt das Känguru und denkt einen Moment nach. »Englisch.«
    »Wie?«
    »Oh excuse me, do you speak English? Haben Sie Ihre human resources schon gebrieft, dass sie wegen den shareholders outgesourced und lohngedumped werden? Oh, by the way: Der senior-assistant-manager-director soll doch bitte den head-of-saubermaching updaten, dass ich beim brainstorming ins mainoffice gevomitted habe.«
    »Du immer mit deinem faden Antiamerikanismus«, sage ich kopfschüttelnd.
    »Der ist nicht fad«, sagt das Känguru. »Der hat laaaaaange gezogen.«
    »Finde ich trotzdem nicht richtig.«
    »Richtig, falsch – das sind bürgerliche Katego …«
    »Ja, ja.«
    »Jetzt koch endlich, sonst wird dein controller beim nächsten meeting über deine efforts nicht gerade amused sein«, sagt das Känguru. »Und remember: Mehlklumpen im Teig sind ein absolutes no-go! So if you see something, say something.« Und es boxt mich schon wieder.
    »Jetzt reicht’s«, sage ich und hole mit dem Kochlöffel aus.
    »Ey!«, ruft das Känguru. »Gewalt ist die Sprache der Dummen!«

»Ach! Kapitalismus ist doch total scheiße!«, ruft das Känguru und wirft das Monopolybrett um.
    »Nur weil du verlierst«, sage ich und versuche den angerichteten Schaden wieder zu reparieren.
    »Da habe ich sechs Milliarden Menschen auf meiner Seite«, sagt das Känguru.
    »Beruhigst du dich wieder oder war’s das jetzt?«, frage ich und weigere mich, in die hundertste Wiederholung der Debatte über die Folgen der Globalisierung einzusteigen. Das Känguru scheint noch unschlüssig, ob es sich beruhigen will oder ob es das jetzt war.
    »Erst im Scheitern zeigt sich wahre Größe«, sage ich. »Hat meine Mama immer gesagt.«
    »Pah«, sagt das Känguru. »Ich bin lieber ein schlechter Gewinner als ein guter Verlierer. Hat mein Papa immer gesagt.«
    Inzwischen habe ich den Wiederaufbau des Spielfeldes abgeschlossen. Das Stadtbild hat zwar ein wenig gelitten, aber das gehört ja zu einem Wiederaufbau dazu.
    »So, jetzt setz dich«, sage ich.
    »Aber ich zahl nix, nur weil ich auf deinem blöden Bahnhof gelandet bin.«
    »Is gut.«
    »Das führen wir jetzt ein«, sagt das Känguru. »Bahnhöfekosten nix mehr. Ich finde, der öffentliche Personenverkehr sollte kostenlos sein.«
    »Okay«, sage ich um des Friedens willen, obwohl natürlich alle vier Bahnhöfe mir gehören. Ich denke zurück an den Abend, an dem wir Risiko gespielt und uns ordentlich verkracht haben, weil das Känguru sich beharrlich weigerte, jemanden anzugreifen.
    Ich würfle, nehme eine Gemeinschaftskarte und erhalte sieben Prozent Dividende auf meine Vorzugsaktien. »Wer hat, dem wird gegeben«, schnaubt das Känguru altklug, würfelt und landet auf einer meiner Straßen.
    »Mal sehen …«, murmle ich. »Schlossallee. Mit drei Häusern. Das macht: Achtundzwanzigtausend D-Mark.«
    »Nee«, sagt das Känguru. »Das ist ’ne Hausbesetzung. Hausbesetzer zahlen keine Miete.«
    Außerdem nimmt es mir die fünfhundert Mark weg, die ich gerade für meine Aktien bekommen habe, und sagt: »Kapitalertragssteuer.«
    »Die ist doch nur zwanzig Prozent!«, beschwere ich mich.
    »Jetzt nicht mehr«, sagt das Känguru. »Der Satz ist gerade gestiegen.«
    Dann reißt es den Fünfhundert-Mark-Schein entzwei, schreibt hinten auf die unbedruckte Seite: »Wohnraum für alle – jetzt und umsonst« und klemmt den Fetzen zwischen meine
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