Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
Zahlen Russisch Roulette spielst, statt dich um deine Kinder zu kümmern. Du führst eine sinnentleerte, seelenlose Existenz! Wach endlich auf! In Afrika …«
    Ich lege auf.
    »Wie lang geht der?«, frage ich.
    »Zwei Stunden zwanzig«, sagt das Känguru.
    »Überlänge«, sage ich.
    »Ist ja auch zwei Euro teurer«, sagt das Känguru.
    Wieder drückt es auf seinem Telefon herum.
    »Hör dir den noch an. Der verkauft sich am besten.«
    Aus dem Handy säuselt eine Frauenstimme: »Ja! Es klingelt. Aber wenn du jetzt rangehst, kannst du dich genauso gut gleich anziehen und nie mehr wiederkommen.«
    »Ich nenne ihn ›COITUS INTERRUPTUS‹«, sagt das Känguru.
    »Schön, schön«, sage ich. »Aber was, wenn einer deiner Kunden der Meinung ist, er könne auf eine moralisierende Gehirnwäsche durch sein Mobiltelefon dankend verzichten?«
    »Wer sich beschweren will, soll mich einfach anrufen«, sagt das Känguru. »Nur 69 Cent pro Minute.«

»Stück mal ’n Rück«, sagt das Känguru.
    Ich blicke vom Laptop zu ihm hoch.
    »Was?«
    »Rück mal ein Stück«, sagt es. »Ich will auch aufs Sofa.«
    »Ach so«, sage ich und mache Platz. »Ich hatte ›Stück ma en Rück‹ verstanden.«
    »Ja, genau. Stück mal ein Rück. Ich will auch in den Schlepptop kucken«, sagt das Beuteltier und setzt sich. »Sehr liebenswürzig. Schanke döhn.«
    Ich schüttle mich.
    »Du musst schitte böhn sagen«, sagt das Känguru.
    »Nä«, sage ich, »muss ich gar nicht« und massiere meine Schläfen.
    »Is was, Doc?«, fragt das Känguru.
    »Du weißt doch, dass mir dumme Sprüche und witzige Wortverdrehungen physische Schmerzen bereiten.«
    »Wie was zum Bleistift?«, fragt das Känguru.
    »Zum Bleistift zum Bleist … Bleispiel.«
    Ich seufze.
    »Ach, du meinst, wenn man die Wechstaben verbuchselt?«
    »Gnade!«, winsle ich.
    »Das kannst du nicht leiden?«, fragt das Känguru scheinheilig. »Ich dachte, mit so was verdienst du dein Geld. Das darf doch echt nicht Warzenschwein.«
    »Was willst du von mir?«, frage ich gequält.
    »Wo hast du die Schnapspralinen versteckt?«
    »Meinst du nicht, du gönnst dir zuviele davon?«
    »Wo hast du die Schnapspralinen versteckt?«
    »Die habe ich nicht versteckt. Die sind alle.«
    Das Känguru schüttelt traurig den Kopf.
    »Gut, Knut«, sagt es dann.
    Wieder zucke ich zusammen.
    »Du solltest wissen, dass ich das nicht tun möchte. Aber du lässt mir keine andere Wahl … WO SIND DIE PRAPSSCHNALINEN?«
    »Ich weiß nicht …«, stöhne ich.
    »Dein Vater muss ein Dieb sein, denn er hat die Sterne vom Himmel geholt …«
    »In meinem Kleiderschrank«, schreie ich verzweifelt. »Unter dem losen Brett!«
    »Schanke Döhn. Geht doch«, sagt das Känguru fröhlich und springt auf. Im Türrahmen dreht es sich noch mal um: »Bis später, Peter«, ruft das Teutelbier und eine gnädige Ohnmacht umfängt mich. 1

Ich liege faul in der im Wohnzimmer aufgespannten Hängematte und zähle meine Finger. Zehn. Noch mal. Zehn. Noch mal. Neun. Hä? Nee. Ach so. Zehn. Ohne anzuklopfen, dafür mit Schwung, kommt das Känguru zur Tür herein.
    »Liegst du schon wieder in der Hängematte?«, fragt es.
    »Keineswegs«, sage ich. »Immer noch.«
    »Du bist noch nicht einmal aus deinem Schlafanzug raus!«, sagt das Känguru.
    »Ist dir schon aufgefallen, dass es manchen Leuten ein Bedürfnis zu sein scheint, das Offensichtliche auch noch in Worte zu fassen?«, frage ich und schnipse einen Fussel von meinem Pyjama-Hemd.
    »Ich wollte dich fragen …«, fängt das Känguru an.
    »Ich habe mir vorgenommen, heute nichts zu machen«, sage ich.
    »Soso«, sagt das Känguru. »Und ich Dummerchen dachte, das war gestern dein Plan gewesen.«
    »Nee«, sage ich. »Gestern habe ich nur nichts gemacht. Ich hatte mir aber nicht vorgenommen, nichts zu machen. Deswegen war ich dann am Ende des Tages unzufrieden, weil ich nichts gemacht hatte. Heute Abend aber werde ich zufrieden sein, weil ich das erreicht haben werde, was ich mir vorgenommen hatte.«
    »Nichts?«, fragt das Känguru.
    »Genau«, sage ich.
    »Du hast also Zeit?«, fragt das Känguru.
    »Im Prinzip: ja«, sage ich.
    »Dann könntest du mir ja jetzt endlich helfen, das Bad zu putzen«, sagt das Känguru.
    »Eigentlich gerne, aber das passt leider nicht in mein Konzept«, sage ich. »Wenn ich dir jetzt helfe, werde ich ja etwas gemacht haben, und dann werde ich nicht zufrieden sein am Abend, weil ich nicht erreicht habe, was ich erreichen wollte.«
    »Nichts«, sagt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher