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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 2
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Kischkewitz ahnt etwas
    von J ACQUES B ERNDORF
    Der Tatort deutete auf Raserei hin, auf die Explosion von Hass und ungezügelter Wut. Der Tote war Gerhard Osebius, sechsundvierzig Jahre alt, von Beruf Kaufmann und Immobilienhändler, in der ganzen Eifel berühmt dafür, jedem das passende Haus zu besorgen, es dann nach Wunsch umzubauen, die Möbel dafür zu vermitteln und sich dann bei der Eröffnungsparty hemmungslos zu besaufen und in diesem Zustand jungen Frauen so häufig wie möglich an die Wäsche zu gehen.
    Er war, nach einhelliger Meinung der Frauen, schlicht ein Kotzbrocken, nach Ansicht des Ortsbürgermeisters ein Kerl von echtem Schrot und Korn, ein Typ, wie ihn nur die Eifel formen kann, ein Kerl, den dieser Landstrich dringend braucht. Der Bürgermeister pflegte nach dem fünften Bier zu formulieren: »Ein Glück, dass wir den haben. Wenn wir ihn nicht hätten, müssten wir ihn erfinden.«
    Jetzt lag dieser Kerl tot in der alten Melkkammer auf den weißen Fliesen, und Kischkewitz wusste nach einem Schnelltest bereits, dass er mindestens 2,8 Promille im Blut hatte. Kischkewitz wusste auch, dass der Tod morgens gegen sechs Uhr eingetreten war, plusminus dreißig Minuten. Sein Assistent, Gernot de Buur, war der Meinung, »dass wir den Täter wohl sehr schnell haben werden«, aber Kischkewitz beurteilte die Lage mit wesentlich größerer Vorsicht und mahnte zur Zurückhaltung: »Wir haben nicht den Schimmer eines Verdachts, es sei denn, man zählt seine wirklichen Gegner. Dann hätten wir etwa fünfzig Tatverdächtige, plus etwa zweihundert bis dreihundert Frauen.« Dann setzte er eigens für de Buur hinzu: »Du musst dich in Zurückhaltung üben, mein Junge, sonst drehen dir die Pressefritzen einen Strick.«
    »Also, der Fundort der Leiche ist der Tatort«, stellte Dr. Heugen fest und brüllte nach dem Fotografen, der ihm bestimmte Blutspritzer an den Fliesen dicht hinter dem Toten fotografieren sollte. »Und zwar so, dass das Muster erkennbar wird. Aufprall der Spritzer auf den Fliesen und die Richtung der Spritzer, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Aber das reflektiert so auf den Kacheln«, sagte der Fotograf sauer.
    »Dann fotografiere das so, dass es nicht reflektiert«, bestimmte der Mediziner kurz angebunden.
    »Immer auf die Kleinen«, sagte der Fotograf etwas verbissen.
    Es war zehn Uhr morgens an einem Montag, und Kischkewitz hatte nicht die geringste Lust auf Mord.
    Dicht neben dem Kopf des Toten lag ein altes, aber sehr scharfes Fleischerbeil. Das Merkwürdige an dem Fall war nun, dass der Täter dieses Beil für die Tat nicht benutzt hatte. Kischkewitz sinnierte, ob der Täter das Beil vielleicht als einen Hinweis neben den Kopf des Toten gelegt hatte. Aber auf was wollte er hinweisen? Ein Beil neben einem zerschmetterten Kopf? Kopf ab? Hinweis auf einen Henker? Todesurteil?
    »Haben wir Fingerabdrücke auf dem Beil?«
    »Haben wir nicht!«, antwortete de Buur.
    »Heißt das, es wurde abgewischt?«
    »Korrekt!«, nickte de Buur. »Arbeitshandschuhe der üblichen Sorte, billig, überall für ein paar Euro zu kaufen. Aber die haben wir nicht gefunden.«
    »Heugen, mein teurer medizinischer Freund, war es der Knüppel da?«, fragte Kischkewitz.
    »Der Knüppel war es, geliebter Bruder!«, nickte Heugen.
    Manchmal trieben sie ihre Scherze, manchmal erheiterten sie die Kommission durch galantes Biedermeier, schlimm wurde es, wenn sie Shakespeare zitierten und sich stritten, aus welchem Königsdrama dieses oder jenes Zitat stammte. Aber die Scherze lockerten auf und machten den Tod ein wenig erträglicher.
    Der Knüppel war ein etwa einhundert Zentimeter langer Eichenast von unbestimmbarem Alter, so dick wie eine kräftige Männerfaust und als Mordinstrument absolut tödlich. »Eisenhart!«, hatte de Buur festgestellt.
    »Fingerabdrücke?«, fragte Kischkewitz.
    »Keine«, sagte de Buur. »Abgewischt mit den gleichen Handschuhen.«
    »Sag mir, wieso hier, in dieser öden Melkkammer?«, fragte Kischkewitz. »Das riecht hier nicht gut, gehen wir vor die Tür.«
    Die Sonne schien, es war ein Montag im Juli, zwei Schmetterlinge taumelten durch die Luft, die Schwalben flogen sehr hoch, Grund genug fröhlich zu sein.
    »Also, es ist so, dass Osebius ziemlich häufig in der Melkkammer gesoffen hat. Da steht immer ein Kasten Bier, und in einem Schrank siehst du locker zwanzig Flaschen Hochprozentiges«, eröffnete de Buur. »Er kommt nachts nach Hause und hat Durst auf das letzte Bier und so. Und meistens
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