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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken
Autoren: Marc-Uwe Kling
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das Känguru.
    »Genau«, sage ich.
    »Es ist gut, sich Ziele zu stecken«, lobt das Känguru und nickt.
    »Sonst geht man schnell auf dem Lebensweg verloren«, sage ich.
    »Und wenn das Ziel auch noch lautet, da zu sein, wo man ist …«, lästert das Känguru, »ist es recht einfach, nicht verloren zu gehen.«
    »Was hattest du dir für heute vorgenommen?«, frage ich.
    »Dasselbe wie jeden Tag«, sagt das Känguru. »Den Kapitalismus abzuschaffen.«
    »Und jetzt kuck mal in den Spiegel«, sage ich. »Du siehst sehr unzufrieden aus. Hätteste dir lieber mal vorgenommen, nichts zu machen.«
    »Nee, nee, nee«, sagt das Känguru. »Wenn alle so denken würden …«
    »Wenn alle so denken würden, gäb’s keinen Kapitalismus mehr.«
    »Hm«, sagt das Känguru.
    »Es ist wie beim Mülltrennen«, sage ich. »Die Masse macht’s, aber einer muss anfangen. Drum tu ich nichts mehr.«
    »Passiver Widerstand …«, sagt das Känguru bedächtig.
    »Genau«, sage ich.
    »Verlockendes Konzept«, sagt das Känguru. »Darf man beim Nichtstun Bud-Spencer-Filme kucken?«
    »Aber sicher.«
    »Gefällt mir«, sagt das Känguru. »Gefällt mir.«

»Siehst so unzufrieden aus«, sagt das Känguru.
    »Ja. Ich hab doch noch was gemacht gestern«, sage ich.
    »Ach ja? Hab ich gar nicht mitgekriegt.«
    »Hab ein Gedicht geschrieben.«
    »Und jetzt biste unzufrieden, weil du doch nicht nichts gemacht hast?«
    »Genau. Das Gedicht heißt Hänger .«
    Ich deklamiere:
    »Hänger

    Du hängst an Stricken – ich steh auf Beinen
    Ich bin aus Fleisch – du bist aus Leinen
    Du wünschst dir nichts – ich, dass ich in dir wär’
    Oh Hängematte – wir unterscheiden uns sehr
    Doch eins verbindet heute dich und mich
    Du hängst genauso durch wie ich«

    »Na ja, das würde ich noch als ›nichts‹ durchgehen lassen«, sagt das Känguru.

Ich habe den Vornamen meiner Oma vergessen, also tippe ich meinen Namen bei Wikipedia ein, und was lese ich da?
    »Marc-Uwe Kling ist ein deutscher Liedermacher, Autor und Kabarettist, lebt in Berlin bla bla bla, et cetera, seine Oma hieß Helene, und er ist augenblicklich so was von dran mit Badputzen.«
    Ich klicke dreimal mit dem Kugelschreiber in meiner Hand.
    »Komm mal her!«, rufe ich. »Hast du das geschrieben?«
    Das Känguru schlurft gemächlich aus der Küche, eine kalte Bulette in der Pfote.
    »Nein«, lügt es. »Aber es wird wohl stimmen, wenn’s im Online-Lexikon steht.«
    »Ha! Von wegen!«, protestiere ich. »Da kann ja jeder drin rumpfuschen. Zum Beispiel auch ein gewisses Beuteltier, welches höchstwahrscheinlich selbst mit Badputzen dran ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich letzte Woche geputzt habe.«
    »Aha«, sagt das Känguru. »Das dachte ich mir, dass du das behaupten würdest.«
    Das Känguru wechselt zu YouTube und zeigt mir ein Video, welches ein Känguru beim Badputzen zeigt. Das Video läuft im Zeitraffer ab, und jemand hat einen Ragtime drunter gelegt, was äußerst amüsant wirkt.
    »Das beweist gar nichts!«, sage ich. »Das kann ja auch schon vor zwei Jahren aufgezeichnet worden sein!«
    Wie aufs Stichwort hält das Känguru auf dem Bildschirm die Zeitung von vor einer Woche in die Kamera. Ich überfliege die Kommentare der User, es sind 256365:
    »Großartig, wie das Känguru das Bad putzt!«
    »Bestes Känguru ever!«
    »Känguru for Bundeskanzler.«
    »Tolles Video! Und kuck mal, hier gibt’s billig Viagra.«
    »Ach. Und wenn schon!«, rufe ich. »Von mir aus. Ich bin dran. Aber ich mach hier fast alles und du nichts. Ich habe heute schon alleine Wäsche gewaschen, gespült und eingekauft, weil du keine Lust hattest. Wenn es dich so stört, putz du doch. Ich bin doch nicht dein Sklave.«

    Am nächsten Morgen habe ich eine Unmenge elektronischer Schmähbriefe in meinem Postfach. Die Betreffzeilen lauten: »Du Schwein!«, »Pascha!« oder »Die Moritat von Prinzessinich-mach-mir-die-Finger-nicht-schmutzig …«.
    Der Vorstand der Tierschutzpartei erklärt mir angeekelt, was mit meinesgleichen geschieht, sobald sie an der Macht sind, und der Chef von ProVieh wünscht mir, dass ich von einer Herde trächtiger Milchkühe überrannt werde. Das Känguru hat meine E-Mail-Adresse in seinem Blog veröffentlicht, zusammen mit einem herzerweichenden Lügenbericht über seine Lebensverhältnisse. Mein Wikipedia-Artikel hat sich verändert. Jemand hat mir ein Hitlerbärtchen ins Foto gemalt. Der Text lautet: »Kling ist ein zutiefst verabscheuungswürdiger
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