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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister
Autoren: Wolfgang Teltscher
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sagte: ›Wenn ich dich umbringe, dann gibt es keine Blutspuren.‹ Ich bekam richtig Angst und entschloss mich endgültig, die Tabletten auszuwechseln. Ja, und dann sagte er noch, er habe das Haus sowieso auf den Namen Matuschek gebucht, und wenn ich spurlos verschwinden würde, würde niemand auf die Idee kommen, nach einem Mann mit Namen Volkert zu suchen.«
    »Warum sind Sie nicht einfach abgereist?«
    »Weil das in dieser Einsamkeit nicht so einfach war, wie Sie vielleicht meinen. Volkert muss wohl befürchtet haben, ich könnte mit seinem Auto wegfahren, deswegen hatte er die Schlüssel immer bei sich.«
    Sie hätte ein Taxi rufen können, überlegte Marder, aber vielleicht gibt es die in den schwedischen Wäldern nicht.
    »Die Medikamente habe ich ausgetauscht, als ich einmal auf der Toilette war, wo die Dose mit dem Marcumar neben dem Zahnputzbecher stand … da habe ich seine Medizin ins Klo gespült und die Kopfschmerztabletten in die Dose getan. In der Nacht habe ich nicht schlafen können, weil ich immer gefürchtet habe, er könne ins Wohnzimmer kommen und mich umbringen, weil er gemerkt hat, dass ich seine Medizin ausgetauscht habe. Diese Angst hatte ich jede Nacht bis Freitag und ich war am Ende der Woche mit meinen Nerven völlig fertig. Aber Volkert hat nichts bemerkt, weil das Badezimmer ein bisschen düster war, und die Pillen sahen sich wirklich zum Verwechseln ähnlich. Jedenfalls hat er die ganze Woche nie über Kopfschmerzen geklagt.«
    Zum zweiten Mal während der Unterhaltung war für wenige Sekunden ein schwaches Lächeln auf Veras Lippen gekrochen. Es war wieder verschwunden, bevor es sich einrichten konnte.
    Ein Gewitter näherte sich der Stadt vom Westen. Donner war in der Ferne zu hören und wurde mit jedem Grollen lauter. Der Kastanienbaum vor dem Fenster begann, sich leise zu bewegen. Der Wind fuhr durch die Blätter, als ob er sie zärtlich streichelte. Einige davon trödelten auf dem Weg zur Erde am Fenster vorbei.
    »Was dachten Sie, würde geschehen, nachdem Sie das Marcumar gegen die Kopfschmerztabletten ausgetauscht hatten?«
    »Ich konnte natürlich nicht voraussehen, wie schnell etwas passieren würde. Volkert hat mir einmal erzählt, dass er eine ziemlich starke Dosis nimmt. Ich hatte keine Ahnung, wie sein Körper darauf reagieren würde, wenn er schlagartig damit aufhört. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich eine Reaktion erst einstellt, wenn er wieder in Holzminden war und ich in Barsinghausen. Dann würde vermutlich niemand seinen Tod mit mir in Verbindung bringen. Aber sein Körper hat offenbar ziemlich schnell auf den Entzug der Medizin reagiert. Er ist am Freitagabend gestorben.«
    Das Zimmer wurde von zwei fast gleichzeitig explodierenden Blitzen erhellt. Marder zuckte zusammen. Sofort danach gab es einen lauten Knall. Irgendjemand führt da draußen Regie, dachte er. Der Wind hatte nun nichts Zärtliches mehr. Sturmböen rissen die Blätter von der Kastanie und schleuderten sie gegen das Fenster. Vera schien das Unwetter kaum zu bemerken; sie war in sich zusammengesunken. Nichts anderes, als sie selbst, schien für sie zu existieren.
    »Warum haben Sie die Packung mit den falschen Tabletten nicht einfach weggeworfen, nachdem Volkert gestorben war?«
    »Weil man nicht an alles denken kann, wenn man aufgeregt ist und in Eile handelt.«
    Das war vielleicht ihr entscheidender Fehler, dachte Marder – der Fehler, auf den jeder Kriminalbeamte hofft, wenn er einem Täter auf der Spur war. Aber ich denke, wir wären früher oder später auch so auf Vera Matuschek gekommen.
    »Bitte, erzählen Sie, was sich am Freitag zugetragen hat, als Volkert starb.«
    »Das war alles sehr komisch. Das meine ich nicht im Sinne von lustig, sondern eher von gespenstisch. Am Freitagnachmittag schien Volkert ungewöhnlich friedlich zu sein, das war das erste Mal seit Tagen. Er benahm sich mir gegenüber fast normal. Gegen Abend wollte er noch einmal auf den See hinaus rudern und bat mich sogar mitzukommen, was er die ganze Woche nicht getan hatte. Wir haben auf dem See nicht viel miteinander gesprochen, er schien eher nachdenklich. Ich weiß nicht, aber vielleicht hat er gespürt, dass irgendetwas in seinem Körper vor sich ging. Einmal sagte er, er hätte so ein komisches Ziehen im Bein, aber er schien keine wirklichen Schmerzen zu haben.«
    Vera ließ ihre rechte Hand an ihren rechten Unterschenkel gleiten. Marder entnahm daraus, dass das ungefähr die Stelle gewesen sein musste, an der
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