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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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    Willkommen auf der Farm
    «Wie kommst du voran, Clara?»
    Ruckartig komme ich wieder zu mir und stehe mitten in meinem Zimmer, zu meinen Füßen liegen ein paar Zeitschriften verstreut; ich muss den Stapel fallen gelassen haben, als die Vision mich traf. Der Atem steckt mir immer noch wie fest gefroren in der Lunge; meine Muskeln sind angespannt, als hätte ich gerade loslaufen wollen. Das durchs Fenster hereinströmende Licht tut meinen Augen weh. Ich blinzele und sehe Billy an, die am Rahmen der Tür zu meinem Zimmer steht und mich verständnisvoll anlächelt.
    «Was ist los, Kind?», fragt sie, als ich nicht antworte. «Hat dich eine Vision überfallen?»
    Keuchend hole ich Luft. «Wie kannst du das wissen?»
    «Ich habe auch Visionen. Dazu kommt, dass ich mich schon fast mein ganzes Leben lang unter Menschen mit Visionen aufhalte. Ich erkenne das Post-Visions-Gesicht.» Sie nimmt mich bei den Schultern, führt mich zum Bett und setzt sich mit mir auf den Bettrand. Wir warten, bis sich mein Atem beruhigt. «Willst du darüber reden?», fragt sie.
    «Da gibt es noch nicht viel zu erzählen», antworte ich. Den ganzen Sommer über habe ich schon diese Vision, seit ich mit Angela in Italien war. Bis jetzt ist da nicht viel mehr als Dunkelheit, panische Angst, ein merkwürdig schräger Boden. «Willst du es trotzdem hören?»
    Billy nickt. «Erzähl ruhig, wenn du magst. Vielleicht hilft es dir, wenn du es dir von der Seele redest. Aber Visionen sind etwas sehr Persönliches, finde ich, deine Visionen sind für dich, für dich allein.»
    Ich bin erleichtert, dass sie so gelassen damit umgeht. «Wie schaffst du das?», frage ich nach einer Weile. «Wie kannst du so normal weiterleben, obwohl du weißt, dass etwas Schlimmes passieren wird?»
    Ihr Lächeln ist voller Kummer. Sie legt ihre warme dunkelhäutige Hand über meine. «Du wirst lernen, dein Glück zu finden, Kind», sagt sie. «Du erkennst, was deinem Leben Sinn gibt, und daran hältst du dann fest. Und du hörst auf, dir Sorgen um Dinge zu machen, die du nicht ändern kannst.»
    «Leichter gesagt als getan.» Ich seufze.
    «Das braucht Übung.» Sie legt eine Hand auf meine Schulter, drückt mich. «Ist jetzt alles wieder in Ordnung? Putzmunter und zu allen Schandtaten bereit?»
    Ich bringe ein schwaches Lächeln zustande. «Jawohl, Ma’am.»
    «Na schön, dann geh mal wieder an die Arbeit», meint sie scherzhaft. Ich mache mich erneut daran, meine Sachen einzupacken, denn damit war ich beschäftigt gewesen, als die Vision mich überfiel. Billy schnappt sich Klebeband und fängt an, die schon gepackten Kartons zuzukleben. «Weißt du, ich habe damals auch schon deiner Mutter geholfen, als sie für Stanford packte. 1963 war das. Wir haben zusammengewohnt, in San Luis Obispo, in einem kleinen Häuschen am Strand.»
    Ich werde Billy vermissen, denke ich, während sie weitererzählt. Wenn ich sie ansehe, muss ich meist an meine Mutter denken, ich kann gar nicht anders. Nicht, weil die beiden sich so ähnlich wären. Zwar ist Billy auch groß und hinreißend schön, aber viel wichtiger ist, dass Billy als Moms beste Freundin der letzten hundert Jahre Unmengen an Erinnerungen wie diese über Stanford von ihr hat, witzige Geschichten und traurige, über Momente wie den, als Mom mit einem schrecklichen Haarschnitt vom Friseur kam oder als sie bei dem Versuch, flambierte Bananen zu machen, die Küche in Brand setzte oder als sie beide im Ersten Weltkrieg Krankenschwestern waren und Mom einem Mann mit nichts weiter als einer Haarnadel und einem Gummiband das Leben gerettet hat. Billy um mich zu haben ist beinahe so gut, wie mit Mom zusammen zu sein. In diesen wenigen Augenblicken, wenn sie die Geschichten erzählt, ist es so, als wäre Mom wieder am Leben.
    «He, alles in Ordnung mit dir?», fragt Billy.
    «Bin fast so weit.» Ich räuspere mich, um das Stocken in meiner Stimme zu überspielen, lege den letzten Pullover zusammen, stecke ihn in einen Karton und schaue mich um. Auch wenn ich noch nicht alles gepackt habe, auch wenn meine Poster noch an den Wänden hängen und auch sonst noch viel von mir herumliegt, sieht mein Zimmer leer aus, so als wäre ich schon ausgezogen.
    Ich kann kaum glauben, dass ich ab übermorgen nicht mehr hier wohnen werde.
    «Du kannst jederzeit herkommen», sagt Billy. «Daran musst du immer denken. Das ist dein Haus. Ruf einfach an und sag, du bist auf dem Weg, und ich beziehe dir sofort dein Bett.»
    Sie
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