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Der Sohn des Bannsängers

Der Sohn des Bannsängers

Titel: Der Sohn des Bannsängers
Autoren: Alan Dean Foster
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I
    Vielleicht wäre überhaupt nichts passiert, wenn Talea nicht den Dämon im Brotkasten entdeckt hätte.
    Sie hatte sechs Laibe Brot aus frisch gemahlenem Hambanas- Mehl gebacken und zum Abkühlen in den mit Metall ausgekleideten Holzbehälter gelegt. Der Dämon saß auf der gekachelten Arbeitsplatte, gleich links neben dem großen, in die Südseite des Baums geschnittenen ovalen Fenster, das auf das Flußufer und die Weiden hinausging, die sich wie die beschwipsten Zuschauer eines Angelwettbewerbs dort festklammerten.
    Ein halbes Dutzend auf einmal war eine ganze Menge, aber dank einer netten kleinen, stark domestizierten Konservierungsformel, die Clodsahamp ihr umsichtigerweise zur Verfügung gestellt hatte, würde das Brot nicht nur frisch, sondern sogar warm bleiben, solange es nötig war. Das war zudem energiesparender als ein Kühlschrank.
    Als sie den Brotkasten öffnete, um ein Brot fürs Abendessen herauszuholen, bemerkte sie zu ihrer Überraschung einen wohlgestalteten, fünfzehn Zentimeter langen Homunkulus, der neben einem der Laibe saß. Zwei geschwungene Hörner entsprangen seitlich an seinem Schädel, ein einzelnes kleineres Horn saß auf seiner Stirn. Hauchzarte rosafarbene Flügel lagen zusammengefaltet auf seinem Rücken. Er war mit langen kastanienbraunen Jeans und dazu passenden Hosenträgern bekleidet, und an seinen dicken Gummisandalen schauten vorne Krallen hervor.
    Außerdem verfügte er über einen herzhaften Appetit. Die Hälfte des Brotlaibs, neben dem er saß, war bereits verspeist. Sie hatte ihn auf frischer Tat ertappt (bei Dämonen fiel das allerdings auch nicht sonderlich schwer).
    Als sie die Klappe des Kastens hob, drehte er sich ruckartig um, in der einen winzigen Faust zwei Handvoll dampfenden frischen Brots.
    »Azmac!« rief das Wesen und schwenkte die freie Hand.
    »Poreon faytu! Hau ab, sonst sollst du für den Rest deiner Tage in der Hölle schmoren!«
    »Verschwinde aus meinem Brotkasten!« Talea ließ sich von dieser barocken Drohung nicht im mindesten einschüchtern. Sie tastete in einer Schublade herum, schloß die Finger um den Griff einer kleinen Kasserolle und vollführte eine Stoßbewegung in Richtung des Brotlaibs.
    Der Dämon ließ seine wohlschmeckende Beute fallen und wich an die Rückwand des Kastens zurück. »Emarion! Sacarath sanctus!«
    »Gib dir keine Mühe.« Talea drehte die Kasserolle um und stocherte mit dem Griff zwischen den Broten herum.
    »Verschwinde aus meinem Brot!«
    Talea war zwar nicht besonders groß, dafür aber überraschend stark, und der Dämon, der sich am Hambanasbrot gelabt hatte, war eindeutig überfressen. Mit einem lauten Boing! löste er sich von der Rückwand des Kastens und flog, die Arme in die Hüften gestemmt, durch die Küche. Er segelte geradewegs über den Hackblock in der Mitte des Raums und prallte mit einem feuchten Klatscher gegen das ovale Fenster an der gegenüberliegenden Wand. Daran schien er einen Moment lang kleben zu bleiben, ehe er an der Scheibe ins Spülbecken hinunterrutschte.
    Mit der Kasserolle in der Hand stürzte Talea zur Spüle und spähte zwischen die schmutzigen Teller und Tassen. »Was hast du in meinem Brotkasten zu suchen? Hat mich vielleicht jemand auf dem Kieker, ist es das? Ich wette, da steckt dieses hochnäsige Opossum, diese Frau Genfein vom oberen Fluß dahinter. Jedesmal wenn wir sie besuchen, ist sie vollkommen durch einander.« Sie schaute zu, wie sich der benommene Dämon vergeblich aufzurichten versuchte. »Mit dir scheint ja nicht gerade viel los zu sein.«
    Als irgend etwas laut brummend an ihrem Kopf vorbeiflog, wich sie seitwärts aus und hatte den Dämon im Nu vergessen. Das neue Schreckgespenst war kleiner als der Homunkulus, hatte vier smaragdgrüne Flügel und einen langen, schlangenartigen Schwanz. Ein Gesicht, das von einer auf der Straße überfahrenen Kröte hätte stammen können, blickte sich höhnisch nach ihr um. In den vier Händen hielt das Wesen den Salzstreuer aus Kristall, den ihr ihre Mutter einst zur Hochzeit geschenkt hatte.
    Sie schnappte danach, doch das Wesen wich ihr aus und verspottete sie mit einer hohen, von Brummen begleiteten Version irgendeines kabbalistischen Mantras, das große Ähnlichkeit mit ›My Darling Clementine‹ auf wies.
    »Und jetzt?« Sie zielte, schwang die Kasserolle. Der Krötenbrummer wich ihr einmal aus, ein zweites Mal, und dann hatte die Kasserolle mit einem lauten Knall ihr Ziel getroffen. Der Gesang brach ab, und die Erscheinung
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