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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister
Autoren: Wolfgang Teltscher
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gebracht und einen Anwalt. Den habe ich wieder weggeschickt. Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich sagen soll. Ich werde alles erzählen, was passiert ist. Aber nur einmal, und dann werde ich nie wieder darüber sprechen. Sie können sich gern Notizen machen, aber Sie können von mir aus auch ein Band mitlaufen lassen.«
    Marder stellte den Kassettenrekorder auf den Tisch, der auf einem Regal neben dem Fenster gestanden hatte. Daneben befand sich ein Stapel Leerkassetten. Marder schob eine davon in das Gerät. Er platzierte den Recorder so, dass er nicht zwischen ihm und Vera stand, damit er ihr Gesicht im Blick behalten konnte. Er drückte den Aufnahmeknopf und wollte gerade etwas Einleitendes sagen, als Vera zu sprechen anfing.
    »Ich heiße Vera Matuschek und möchte eine Aussage zum Tod von Kommissar Volkert machen.«
    Dann nannte sie das Datum und die Uhrzeit. Eigentlich wollte Marder diese technischen Details selbst auf das Band sprechen, aber nun, da Vera es getan hatte, verzichtete er darauf, sie zu unterbrechen.
    »Ich habe Herrn Volkert vor ungefähr zwei Jahren kennengelernt. Er war zu jener Zeit in Barsinghausen, um die Position bei der Kriminalpolizei kurzfristig zu besetzen, die frei geworden war, als mein damaliger Mann in den Ruhestand ging. Als mein Mann kurz danach starb, sind Herr Volkert und ich erst Freunde und später ein Paar geworden.«
    Vera ging nicht auf die Umstände ein, die zu dem Tod ihres Mannes geführt hatten. Da diese Marder bekannt waren, schwieg er. Er würde später entscheiden, ob sie Einfluss auf die Geschehnisse um Volkert hatten.
    »Herr Volkert ist nach einigen Monaten in Barsinghausen nach Holzminden zurückgekehrt. Dort habe ich ihn seitdem regelmäßig besucht, ungefähr einmal im Monat, manchmal auch öfter.«
    »Sie haben ihn immer in Holzminden besucht, er ist nie nach Barsinghausen gekommen. Warum war das so?«
    »Weil er es so wollte, und mir war es auch recht. Er hat gesagt, da er tagsüber arbeiten müsse, wäre es einfacher, wenn ich die Reise machen würde. Außerdem hat er gesagt, dass er sich in Holzminden wohler fühle als in Barsinghausen. Aber ich hatte sowieso keine Lust, meiner Familie oder Bekannten zu erklären, warum ich so kurz nach dem Tod meines Mannes einen neuen Partner hatte, dazu wieder einen Kommissar von der Kriminalpolizei.
    Ich hoffte, dass Herr Volkert und ich nach einer gewissen Anstandsfrist heiraten würden, und er hat mir am Anfang mehrfach angedeutet, dass er sich das auch vorstellen könne. Im Laufe der Zeit haben wir immer seltener darüber gesprochen, das heißt, Volkert hat das Thema mehr und mehr vermieden. Deswegen fand ich es eine gute Idee, mit ihm nach Schweden an den See zu fahren, weil ich dachte, dort hätten wir Zeit, uns in Ruhe zu unterhalten. Ich wollte endlich Klarheit haben, ob es ihm ernst mit mir war.«
    Marder wäre gern an dieser Stelle für einen Moment aus dem Raum gegangen. Das Alsterwasser verursachte ihm Unbehagen, er hätte sich gern davon befreit – andererseits wollte er Vera nicht unterbrechen. Er hielt still und litt ein bisschen.
    »Als wir auf dem Weg nach Schweden im Auto saßen, brachte ich das Gespräch auf unsere Zukunft. Erst versuchte er, dem Thema auszuweichen. Wie ich eben gesagt habe, hatte ich mir vorgenommen, die Reise zu nutzen, um unsere Beziehung zu klären und, wenn möglich, zu festigen. Volkert wollte davon aber nichts hören – für ihn war es eher ein unverbindlicher Urlaub, in dem er sich nicht mit Gedanken an unsere Zukunft befassen wollte. Weil er nicht so reagierte, wie ich es gehofft hatte, habe ich mich sehr geärgert und habe ihm Vorwürfe gemacht. Dabei bin ich ziemlich wütend geworden, das muss ich zugeben. Am besten wäre es sicher gewesen, ich wäre an der Fähre aus dem Auto ausgestiegen und mit der Bahn zurückgefahren – aber das sage ich nur aus besserem Wissen im Nachhinein. Damals hoffte ich noch, wir würden in dem Haus am See unsere Beziehung retten können.«
    Der Druck in Marders Unterleib wurde stärker. Er suchte einen Grund, den Raum zu verlassen.
    »Frau Matuschek, kann ich Ihnen etwas zu trinken holen, bevor Sie weitererzählen? Sie müssen durstig sein.«
    Zu seiner großen Erleichterung bestätigte Vera Matuschek, dass sie gern etwas trinken würde. Marder sprang auf, ging aus dem Verhörzimmer und befreite sich von dem, was ihn seit einer Weile bedrückte. Dann ging er in den Sozialraum, wo er im Kühlschrank eine Flasche Zitronenlimonade fand.
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