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Türme Der Dämmerung

Titel: Türme Der Dämmerung
Autoren: L. E. Modesitt
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Stuhl für Creslin zurecht.
    Creslin nickt der Frau mit grauen Haaren zu seiner Rechten zu, dann der jungen Frau mit dunkelroten Locken zu seiner Linken. Sie hat die Locken mit einem Silberband zurückgebunden. An der Tafel ist sie die einzige Frau mit langen Haaren.
    »Euer Gnaden«, beginnt die ältere Frau.
    Creslin versteht, warum er hier sitzt, auch wenn es ihm nicht gefällt. »Ja?« Seine Stimme klingt melodisch, was ihn oftmals stört.
    »Wie dürfen wir Euch anreden?«
    »Mit Creslin – unter Freunden sind Anreden doch unnötig.« Bei dieser Lüge dreht sich ihm der Magen um. Er fragt sich, ob es ihm je gelingen wird, die Wahrheit so zu verdrehen, wie man es ihn gelehrt hat – ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Er blickt zur Mitte der Tafel. Der Mann links von der Tyrannin hebt das Messer.
    Alle Anwesenden widmen sich den Birnenäpfeln auf den gelben Porzellantellern. Creslin zerteilt die Hälften in feine Scheiben.
    »Tragen in Westwind alle Männer Schwerter?« fragt die ältere Frau.
    »Euer Gnaden«, sagt Creslin höflich, »Westwind liegt auf dem Dach der Welt, und wer auch immer es verlässt, muss sich vor den Unbilden der Witterung und vor wilden Tieren hüten. Die Marschallin würde niemanden ohne Schutz lassen, aber mir hat sie großzügigerweise gestattet, mich selbst zu schützen.«
    »Du wirkst ausgesprochen … athletisch.«
    Creslin lächelt, aber wieder dreht sich ihm der Magen um. »Das Äußere täuscht oft, Euer Gnaden.«
    »Nenne mich Frewya.« Sie lächelt. »Würdest du uns etwas von Westwind erzählen?«
    Creslin nickt, schiebt sich aber noch eine Birnenapfelscheibe in den Mund und tupft die Mundwinkel mit der Leinenserviette ab. »Ich bezweifle, dass ich sonderlich qualifiziert bin, Euch Westwind zu beschreiben, doch werde ich mein Bestes versuchen.« Er blickt die rothaarige junge Frau an.
    »Ich würde liebend gern etwas über Westwind hören …« Ein Hauch von Spott schwingt in ihrer Stimme mit. Sie hebt das Kristallglas. Am rechten Arm trägt sie ein breites Armband aus Eisen, in das ein schwarzer Stein gefasst ist.
    Creslin spürt, dass das Armband nicht ist, was es zu sein vorgibt. Er lächelt ihr zu, ehe er sich wieder Frewya zuwendet.
    »Westwind ist auf dem Dach der Welt gelegen und im grauen Granit des Bergmassivs verankert. Gegen das Wetter hat es Schutzmauern und gegen Meuchelmörder eine Garde …« Creslins Worte stammen nicht von ihm, sondern aus der Erinnerung dessen, was ein Mann mit silberblondem Haar einst in einem Büchlein aufgeschrieben hat, das sich in Creslins Besitz befindet.
    »… und während der Stürme hält uns der Kamin in der großen Halle warm. Außerhalb Westwinds und jenseits der Straße an der Mauer, die zu den Handelsstraßen führt, erstreckt sich eine nahezu weiße Landschaft vom Südturm bis zur immer noch schimmernden Spitze Freyjas.
    Freyja«, erklärt Creslin, »ist der einzige Gipfel, der das Licht der Sonne bei ihrem Aufgang und auch am Abend einfängt.
    Jenseits des Daches der Welt klaffen Abgründe. Bei den Klippen fallen die Wände tausend Ellen nach unten in Eis und Gestein ab. Dunkle Wälder schließen sich an. Tannen und Fichten erstrecken sich nach Norden und Süden, bis zur Barriere der Westhörner.« Creslin macht eine Pause und lächelt. »Ihr seht, ich vermag Euch nur Bilder zu schildern.«
    »Doch diese schilderst du ganz vorzüglich«, erklärt Frewya.
    Die Rothaarige neben Creslin nickt. Sie scheint etwas älter als er zu sein.
    In der Zwischenzeit hat man seinen Teller entfernt und einen größeren gebracht, ebenfalls aus gelbem Porzellan. Darauf sind eine Scheibe Fleisch mit weißer Soße und als Beilage grünes Gemüse angerichtet.
    Creslin kostet von dem Fleisch. Es ist stark gewürzt und hat einen bitteren Beigeschmack. Er wünscht sich eine kühle Brise herbei, um die ersten Schweißtropfen auf seiner Stirn zu trocknen.
    »Wie schmeckt dir die Burkha?« fragt die Rothaarige.
    »Ein bisschen stärker gewürzt, als wir sie in Westwind essen«, gibt er zu.
    Die junge Frau lacht. »Du bist der erste Fremde für mich, der nicht beim ersten Bissen in Schweiß ausgebrochen ist.«
    Creslin lächelt und fragt sich, ob er das als Beleidigung oder als Kompliment auffassen soll. »Ich nehme das als Kompliment.«
    »Ja.« Doch ehe sie mehr sagen kann, wendet sie sich dem Mann zu ihrer Linken zu, um seine Frage zu beantworten.
    Creslin sieht, dass sie auch am linken Arm ein Armband trägt. Beide Armbänder werden von den weiten
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