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Türme Der Dämmerung

Titel: Türme Der Dämmerung
Autoren: L. E. Modesitt
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mit dem schwarzen Kissen, durch einen Lichtblitz verstärkt, bringt den Gitarrenspieler zum Schweigen. Er nickt der Frau zu. »Verzeiht, Euer Gnaden.« Seine Stimme klingt so musikalisch wie die Weise, auf die er die Saiten erklingen lässt, und beschwört das Gefühl eines dämmerigen Sommers herauf, der einst nach Westwind kommen wird, irgendwann in den Jahrhunderten nach seiner Erbauung.
    »Vielleicht solltest du eine Reise nach Hydolar oder sogar nach Fairhaven in Erwägung ziehen.«
    »Vielleicht sollte ich das, wenn Ihr das wünscht.« Seine Augen verdunkeln sich, als er den Knaben betrachtet.
    Das Kleinkind mit den silbrigen Locken klammert sich an die steinerne Lehne des Stuhls mit dem grünen Kissen. Er blickt von dem silberhaarigen Gitarrenspieler zu der schwarzhaarigen Frau und wieder zurück.
    »Spiel noch ein Lied vom Sommer«, befiehlt die Frau.
    »Euer Wunsch ist mir Befehl.«
    Als die Töne von den Saiten der Gitarre perlen, vertreibt ein unsichtbares Feuer die Kälte aus den steinernen Mauern des Raums. Selbst der Atem des Gitarrenspielers bildet an diesem kalten Nachmittag des endlosen Winters in den Westhörnern keine Dampfwölkchen mehr.
    Der kleine Knabe sieht die Töne, wie sie von den Saiten in die Luft emporsteigen. Er lässt die steinerne Lehne los und greift nach einem Ton, gerade als dieser an ihm vorbeischwebt.
    Weder die Frau noch der Gitarrenspieler sagen etwas, als der Kleine auf den Granitboden neben den Stuhl fällt. Sie sehen auch nicht den Goldfunken, den er zwischen den rosigen Fingerchen hält und neugierig dreht.
    Sie bemerken auch nicht die Tränen in seinen Augen, als das Gold sich unvermittelt auflöst und verschwindet.
    Dann rappelt sich der Knabe auf und hält sich wieder an seinem Stuhl aus Stein fest, die Sinne auf die Ordnung ausgerichtet, die er hinter den Tönen vernimmt.
    Doch das Lied vom Sommer ist beendet. Ungeweinte Tränen brennen in den Augen des Gitarrenspielers.
    Jenseits der grauen Granitmauern heult der Wind … und wieder … fällt Schnee.

 
IV
     
    » M uss ich das anziehen?« Warmes Licht flutet durchs offene doppelflügelige Fenster und durch die dünne Seide der dunklen Hose. Der junge Mann kann die Silhouette des Mannes sehen, der das Kleidungsstück am Fußende des Bettes hochhält. »Galen, das ist nicht dein Ernst!«
    Der ältere Mann mit dem runden Gesicht zuckt hilflos mit den Schultern. »Die Marschallin hat befohlen …«
    Der junge Mann nimmt die Hose und wirft sie aufs Bett neben ein ebenso dünnes weißes Seidenhemd. Im bodenlangen Spiegel sieht er sein Ebenbild: ein schlanker junger Mann mit silberblondem Haar in hellgrauem Flanellhemd, grüner Lederweste und grüner Hose. Seine Augen sind graugrün. Sein Körper wirkt muskulös und drahtig, die kräftigen Händen haben Schwielen.
    »Warum lässt sie mich überhaupt herbringen? Ich bin kein Prinz zum Vorzeigen.«
    Galen streicht die Kleidungsstücke auf der grünweißen Brokatdecke des Bettes glatt. »Die Marschallin meinte, du solltest über Sarronnyn Erfahrungen aus erster Hand machen. Und, ob es dir gefällt oder nicht – du bist ein Prinz.«
    »Ha! Sie hat weit mehr im Sinn als das. Llyse ist die Richtige, um sich mit Sarronnyn zu befassen.«
    Galen schüttelt die schulterlangen weißen Locken. »Euer Gnaden, ich führe doch nur die Anordnungen der Marschallin aus.«
    Die Eichentür schwingt auf. Sie verbindet den großen Raum mit der Zimmerflucht, welche die Tyrannin der Marschallin zur Verfügung gestellt hat. Eine hochgewachsene Frau, schlank und trotz der fließenden grünen Seidengewänder tödlich wie ein Degen, tritt herein. Eine Wachsoldatin mit kurz geschnittenem braunen Haar und einigen grauen Strähnen folgt der Marschallin. Der junge Mann blickt von den seidenen Kleidungsstücken zur Marschallin.
    Die Frau lächelt, doch nicht mit den Augen. »Creslin, wenn ich seidene Gewänder trage, kannst du das auch. Die Kleidungsstücke sind Geschenke der Tyrannin. Wenn wir sie zurückweisen, erschweren wir die Verhandlungen noch mehr. Im Gegensatz zu dir ziehe ich es vor, meinen Widerstand für Zeiten aufzusparen, in denen er wirklich zählt.«
    Ihre blauen Augen sind so hart wie die dunklen Steine Westwinds. Der Gegensatz zwischen ihrer Härte und den sanft fließenden Seidengewändern, die ihre über vier Dekaden durchtrainierte muskulöse Gestalt einhüllen, erinnert Creslin an die Schneeleoparden, die am Rand des Daches der Welt lauern.
    Er neigt den Kopf und zieht die grüne
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