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Türme Der Dämmerung

Titel: Türme Der Dämmerung
Autoren: L. E. Modesitt
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nur ein armseliger Prinz.«
    Dann wendet Creslin sich an den mit offenem Mund dastehenden Pagen. »Komm, gehen wir. Ich verabscheue den Geruch von Blut.« Er denkt an die zu erwartende Reaktion der Marschallin und fühlt sich nicht sonderlich behaglich.
    »Euer Gnaden …!« Creslin folgt dem Pagen auf demselben Weg, auf dem er den Garten betreten hatte, zurück zum Schloss. Er hört, wie schnelle Schritte sich entfernen, und fragt sich, wohin Dreric wohl eilt. Er hält die Augen offen, da er sich nicht von irgendeiner männlichen Prostituierten einfangen lassen will. »Alles in Ordnung, Euer Gnaden?« »Alles bestens, ich habe nur nachgedacht.« Schweigend gehen sie auf das mit Goldfirnis bedeckte Portal zu, das von den Gärten in den eigentlichen Palast führt. Der Page öffnet es. In gut geölten Angeln schwingt es auf. Creslin ist in Gedanken noch bei Dreric, als er den dunklen Korridor betritt. »Prinz Creslin!«
    Dunkelheit umwirbelt ihn, als wäre aus dem Nichts die Nacht hereingebrochen. Sofort greift er nach dem Schwert. Doch ehe seine Finger den Griff erreichen, pressen ihn starke Arme gegen die Mauer.
    Seine Gedanken erreichen die Winde. Plötzlich fegen die bitterkalten Winterböen herein und wirbeln die feinen Seidengewänder vor die Gesichter. Ein eiskalter Stich trifft seinen Arm. Die Dunkelheit lichtet sich, der Wind verschwindet – und er steht, abgesehen vom Pagen, allein da.
    »Was … war … das?« stößt Creslin hervor. »Was, Euer Gnaden?« fragt der Junge. »Jemand rief Euch, und Ihr habt Euch mit ihr unterhalten. Ich habe nicht erkannt, wer sie war.« Der Page mustert Creslin. »Ist alles in Ordnung mit Euch, Euer Gnaden?« »Du hast sie wirklich nicht erkannt?« »Nun, Euer Gnaden. Sie stand im Schatten.« Creslin blickt zur Tür. Im Korridor scheint es nicht so hell wie im Garten zu sein, doch lassen die Fenster Licht herein. Nirgends Schatten. »Nun ja, ich wüsste gern ihren Namen«, windet er sich heraus.
    »Sie muss Euch sehr schätzen, wenn sie so offen ist«, erklärt der Page.
    Creslin lächelt gequält, wieder dreht sich sein Magen um. Hat Dreric das getan? Aber warum würde jemand einen Kampf beginnen und ihn abbrechen, nachdem man die Haut geritzt hat? Creslin schaut seinen Arm nicht an, obgleich ihm sämtliche Sinne verraten, dass sich dort ein winziges Loch befindet.
    Verglichen mit der Unverschämtheit im Garten bedeutet der Zwischenfall auf dem Korridor gar nichts und wird bald vergessen sein.
    Und doch macht er sich Gedanken.

 
VI
     
    » D u bist ein beträchtliches Risiko eingegangen, Creslin. Was wäre geschehen, wäre er ein Meister der Klinge gewesen?«
    »War er aber nicht. Er fühlte sich in seiner Seide zu wohl.«
    Die Marschallin schüttelt den Kopf. »Ist dir klar, dass dein Leben dadurch viel schwieriger wird?«
    »Mein Leben? Ich war mehr wegen deiner Verhandlungen besorgt.« Er blickt zum Fenster, wo sich die seidenen Vorhänge im Wind blähen, der den Regenwolken am Horizont vorauseilt.
    »Du hättest mir gar nicht besser dienen können«, erklärt die Marschallin und heftet die harten blauen Augen auf den Sohn.
    Scherzt sie? Er wartet auf eine weitere Erklärung, doch sie tritt ans Fenster und schweigt.
    »Ein Prinz, fast noch ein Knabe, entwaffnet einen der berüchtigtsten Schwertkämpfer Sarronnyns. Nertryl hat über zwanzig erfahrene Kämpfer getötet, Männer wie Frauen.« Die Marschallin lacht harsch. »Und du entschuldigst dich, weil du nicht den Standard der Garde erreicht hast? Der Page hat das überall im Palast verbreitet, sobald er dich zu deinem Zimmer geleitet hatte.«
    »Ich sehe nicht, wo das Problem liegt.«
    »Creslin, welche Herrscherfamilie erkennt gern einen Prinzen an, der gefährlicher ist als irgendein Mann westlich der Magier und bedrohlicher als sämtliche Kriegerinnen Candars? Das behagt denen, die die Legende achten, ganz und gar nicht.« Die Marschallin lächelt. »Dieser kunstvolle Hieb auf Drerics Wange war etwas zuviel. Ja, ich weiß, er schien gerechtfertigt, doch er beweist auch, dass du keine Spielchen spielst. Wir haben das bereits vor Jahren erkannt.« Sie blickt durchs Fenster. »In gewisser Weise ist es schade, dass wir uns im vergangenen Frühjahr nicht besser mit der Suthyanischen Gesandtschaft verstanden haben. Wir tun, was in unserer Macht steht.«
    Creslin muss ein Stirnrunzeln unterdrücken. Zumindest hat er niemanden getötet. In Anbetracht der Stimmung der Marschallin beschließt er, die Episode auf dem Korridor
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