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Türme Der Dämmerung

Titel: Türme Der Dämmerung
Autoren: L. E. Modesitt
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bestanden, dass der Künstler sie mit kurzem Haar malte, obgleich sie sich nie dem militärischen Schnitt in Sarronnyn gebeugt hat. Ihre Schwester, die Tyrannin, hat nie zugelassen, dass die Wirklichkeit die Bilder einer erfolgreichen Herrschaft störte.
    Sie legt die Hand auf den linken Arm und vertreibt mittels ihrer Willenskraft das Jucken, wie so oft zuvor.
    »Es wird immer stärker, richtig?« sagt die Frau, die soeben eingetreten ist. Ihre Stimme klingt so kalt wie ihr eisblondes Haar.
    »Ich spüre überhaupt nichts«, lügt die Rothaarige.
    »Du lügst.«
    »Na und? Lass mich aufhängen. Das würdest du gern. Du bietest mir nur eine andere Form der Knechtschaft – vielleicht eine, die noch schlimmer ist als diese.« Sie hält die Arme hoch, das Seidengewand gleitet zurück. Man sieht die Schwellungen und Narben unter den Eisenbändern.
    »Du gibst wohl nie auf.«
    »Wie könnte ich?« Die Rothaarige schlägt die Augen nieder und schweigt eine Zeitlang. »Ich habe mich gerade erinnert … an früher … du und ich pflegten im alten Hof zu spielen, und du bist wütend geworden, weil ich dich immer gefunden habe, ganz gleich, wo du dich versteckt hattest. Aber dann hast du auch wieder gelacht …«
    »Damals waren wir noch Kinder, Megaera.«
    »Sind wir nicht immer noch Schwestern? Oder hat dein Aufstieg mich unehelich gemacht?«
    »Der Legende nach war Weiß nie legitim.«
    »Bin ich jetzt eine andere, weil man meine Begabung als Weiß eingestuft hat?«
    »Das war nie die Frage.« Die Blonde schüttelt den Kopf. »In jedem Fall könnten dir die Verhandlungen mit Westwind einen Ausweg bieten.«
    »Einen Ausweg? Indem du mich dazu versklavst, einen Fremden zu heiraten? Wie kann eine Schwester so etwas tun?«
    »Du hältst meine Wahl für ungerecht?«
    »Wann warst du je gerecht, Ryessa?«
    »Ich tue, was für Sarronnyn das Beste ist. Ich traue Korweil nicht und Dylyss schon gar nicht.«
    »Du traust der Marschallin nicht, der tödlichsten Kriegerin Candars? Wie kann man nur so skeptisch sein.«
    »Nicht skeptisch, nur praktisch. Dylyss kämpft hart, und ich wette, sie liebt ebenso hart. Er ist ihr Sohn.«
    »Meinst du, sie wird dich abweisen?« Megaera lacht verbittert.
    »Nachdem du Dreric auf ihn angesetzt hast? Und Creslins Reaktion?«
    »Creslin ist gut, beinahe so gut, um in die Garde einzutreten.«
    »Nach dem, was ich gesehen habe, ist er sogar besser als die meisten dort.« Die Tyrannin lächelt.
    »Er sieht das nicht so.«
    »Meinst du, Dylyss würde es ihn wissen lassen? Aber es macht keinen Unterschied. Aufgrund dessen, was ich von Suthya, Cerlyn und Bleyans gehört habe, würden sie solch einen Wolf im Schafspelz kaum willkommen heißen. Sie benutzten die Legende als Entschuldigung.«
    »Du glaubst, dass es nur ein Vorwand ist? Du bist eine schlimmere Heuchlerin als Dylyss oder Korweil.«
    »Zu Rybas Zeiten hat keiner von uns gelebt.«
    »Wie günstig für dich.«
    Die Tyrannin lächelt. »Für dich ebenfalls. Würde ich tatsächlich an die Legende und die Dämonen des Lichts glauben …«
    »Bitte, erinnere mich nicht wieder daran.«
    »Kannst du spüren, was er fühlt?«
    »Ich spüre nichts. Das habe ich dir doch schon gesagt. Schmiede deine Intrigen nur weiter.«
    »Es geht auch um dein Wohl, Schwester. Wer sonst könnte sonst deiner Wut, der Kraft in dir widerstehen, ob mit oder ohne Armreifen?«
    »Und wie wird es uns ergehen, wenn ich ein Kind unter dem Herzen trage?«
    »Du und ein Kind? Ohne deine Zustimmung? Hör doch auf!«
    »Liebe Schwester, du tust so, als hätte ich eine Wahl gegen einen Gegner, der uns allen mit der Klinge überlegen ist.«
    Keine Antwort. Die blonde Frau hat schon den Raum verlassen.
    Die Rothaarige blickt auf den schönen, wenngleich aus Eisen gefertigten Stuhl und die Eisenbeschläge auf der Tür. Soll sie Dreric rufen lassen? Doch ihr Blut empört sich. Zwei Tränen rollen über die Wangen, Zeugen des Sturms in ihrem Innern.

 
IX
     
    V or dem größten Fenster spielt Creslin auf seiner kleinen Gitarre. Er hält das Instrument aus Rosenholz fest in den Fingern, die für einen Meisterspieler zu kräftig scheinen.
    Im Raum stehen ein schmaler Schreibtisch mit zwei Schubladen, ein großer Schrank, zwei hölzerne Armsessel, ein großer Spiegel und ein Doppelbett ohne Himmel und Vorhänge. Auf der grünen Bettdecke erscheinen silberne Noten. Die schwere Tür ist von innen verriegelt. Tür und Möbel sind hervorragend aus roter Eiche gearbeitet, doch ohne jegliche
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