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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
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Meinung nach ließe sich diese Visualisierung am leichtesten während tiefer Meditation oder unter Hypnose erreichen, aber diese Theorie wurde nie bewiesen, weil die Wissenschaftler davor zurückschrecken, Menschen dem langwierigen und mitunter schmerzhaften Prozeß zu unterziehen, der zur Umformung der Psyche erforderlich ist.«
    »Jammerschade, daß Sie sich nicht in Deutschland aufhielten, als die Nazis an der Macht waren«, sagte Dan sarkastisch. »Ich bin sicher, daß sie für ein solch interessantes Experiment Hunderte von Menschen bereitgestellt hätten. Und ihnen wäre es scheißegal gewesen, was Sie diesen Menschen antun müssen, um ihre Psyche zu verändern.«
    Uhlander tat so, als hätte er diese Beleidigung nicht gehört. »Und dann bot sich diese einmalige Chance mit Melanie. Wir konnten sie über Jahre hinweg durch Drogen in einen Zustand äußerster Konzentration versetzen; hinzu kamen die immer ausgedehnteren Aufenthalte im Deprivationstank... nun, es waren ideale Bedingungen, und der Durchbruch gelang tatsächlich.«
    Die Tür zum Dezember sei nicht das einzige Paradoxon gewesen, auf das Melanie sich konzentrieren mußte, erklärte der Okkultist. Manchmal habe sie an eine Treppe denken sollen, die nur seitwärts führte. »Stellen Sie sich einmal vor«, sagte Uhlander, »daß Sie auf einer riesigen, endlosen viktorianischen Treppe mit kunstvoll geschnitztem Geländer stehen. Plötzlich fällt Ihnen auf, daß Sie weder hinauf- noch hinabsteigen. Statt dessen befinden Sie sich auf einer Treppe, die nur seitwärts führt, die weder Anfang noch Ende hat.« Auch die Katze, die sich selbst aufrißt -jene Geschichte, die Melanie unter Hypnose erzählt hatte -, war ein solches  paradoxes Denkmodell, ebenso das Fenster zum Gestern. »Sie stehen in Ihrem Schlafzimmer an einem Fenster und schauen auf den Rasen hinaus. Sie sehen den Rasen nicht so, wie er heute ist, sondern so, wie er gestern war, als Sie dort ein Sonnenbad nahmen. Sie sehen sich dort draußen auf einem Strandlaken liegen. Durch die anderen Fenster im Zimmer können Sie diese Szene nicht sehen. Es ist ein ganz besonderes Fenster, ein Fenster zum Gestern. Und wenn Sie durch dieses Fenster hinaussteigen würden, wären Sie ins Gestern zurückversetzt, würden neben sich selbst stehen und sich beim Sonnenbaden zusehen.«
    Boothe näherte sich von der Bar her und blieb knapp außerhalb des Lichtkreises der Tiffany-Lampe stehen. »Sobald der Mensch imstande ist, an das Paradoxon zu glauben«, führte er aus, »muß er es auch wirklich betreten. Wenn beispielsweise die Treppe ins Nirgendwo bei Melanie am besten geklappt hätte, wäre ihr irgendwann befohlen worden, die letzte Stufe dieser Treppe zu verlassen, obwohl die Treppe kein Ende hatte. Und indem sie diesen Schritt von der Treppe gemacht hätte, hätte sie ihren Körper verlassen und ihre erste außerkörperliche Erfahrung gemacht.
    Oder wenn sie sich das Fenster zum Gestern am besten hätte vorstellen können, wäre sie ins Gestern getreten, selbst ein Bestandteil des Unmöglichen geworden, und die damit verbundene Dislokation hätte eine astrale Projektion bewirkt. Das war jedenfalls unsere Theorie.«
    »Total verrückt«, sagte Dan. »O nein«, widersprach Uhlander vehement und blickte endlich von der Lampe auf. »Die Sache funktionierte, Es war die Tür zum Dezember, die Melanie am besten visualisieren konnte, und sobald sie über die Schwelle dieser Tür trat, wurde sie sich ihrer psychischen Fähigkeiten bewußt und lernte mit diesen Kräften umzugehen.«
    Melanie fürchtete sich also nicht, wie Dan und Laura geglaubt hatten, vor etwas Übernatürlichem, das durch diese Tür eindringen würde, sondern hatte Angst davor, die Tür zu öffnen, weil sie dann über die Schwelle treten und wieder morden würde. Sie war hin und her gerissen zwischen zwei entgegengesetzten mächtigen Verlangen: dem Wunsch, all ihre Peiniger zu töten, und dem verzweifelten Bedürfnis, mit dem Morden aufzuhören. 0 Gott! Boothe trat an den Schreibtisch heran und legte eine Hand auf die sorgfältig gebündelten Banknoten im Koffer. Er warf Dan einen scharfen Blick zu. »Nun?« Anstatt ihm zu antworten, wandte sich Dan an Uhlander: »Wenn sie diese psychischen Kräfte anwendet- tritt dann eine Luftveränderung ein, die jeder wahrnehmen kann?«
    Uhlanders Falkenaugen starrten Dan durchdringend  an. »Was für eine Art Veränderung?«
    »Eine plötzliche unerklärliche Kälte.«
    »Durchaus möglich«, erwiderte
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