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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
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würde er ihr zu sagen haben - oder sie ihm?
    Sie zitterte jetzt am ganzen Leibe.
    »Alles in Ordnung?« erkundigte sich Quade.
    »Ja«, schwindelte sie.
    Mit eingeschaltetem Blaulicht, aber ohne Sirene, raste der Streifenwagen durch den Westteil der Stadt. Aus den tiefen Pfützen spritzten unter den Reifen hohe Wasserfontänen empor, so als würden duftige, phosphoreszierende weiße Vorhänge zurückgezogen, um den Weg freizumachen. »Sie wäre jetzt neun Jahre alt«, brach Laura das Schweigen. »Meine Tochter, meine ich. Ich kann sie Ihnen nicht besonders gut beschreiben. Als ich sie zuletzt sah, war sie erst drei.«
    »Tut mir leid, ich habe kein kleines Mädchen gesehen.«
    »Blond. Grüne Augen.« Der Polizist sagte nichts. »Melanie muß bei Dylan sein«, beteuerte Laura verzweifelt, hin-und hergerissen zwischen jubelnder Freude über die Aussicht, Melanie endlich wiederzusehen, und panischer Angst, das Mädchen könnte tot sein. In ihren Alpträumen hatte Laura Melanie so oft tot aufgefunden, daß sie darin ein böses Omen sah. »Sie muß bei Dylan sein. Sie ist all diese Jahre bei ihm gewesen, sechs lange Jahre, weshalb sollte sie dann nicht auch jetzt bei ihm sein?«
    »Wir werden in wenigen Minuten am Ziel sein«, sagte Quade. »Lieutenant Haldane kann all Ihre Fragen beantworten.«
    »Man hätte mich doch nicht nachts um halb drei geweckt und mitten in einem Gewitter aus dem Haus geholt, wenn nicht auch Melanie gefunden worden wäre. Das hätten sie doch bestimmt nicht getan.« Quade konzentrierte sich aufs Fahren, und sein Schweigen war schlimmer als jede Antwort.
    Laura wischte ihre schweißnassen Hände an ihren Jeans ab. Sie schwitzte auch heftig unter den Achseln. Und ihr Magen drohte erneut zu rebellieren. »Ist sie verletzt?« fragte sie. »Ist es das? Wollen Sie mir deshalb nichts über sie erzählen?« Quade warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Wirklich, Mrs. McCafrrey, ich habe in dem Haus kein kleines Mädchen gesehen. Ich verheimliche Ihnen nichts.«
    Laura ließ sich gegen die Rückenlehne fallen. Sie war den Tränen nahe, aber sie war fest entschlossen, nicht zu weinen. Tränen würden dem Eingeständnis gleichkommen, daß sie jede Hoffnung verloren hatte, Melanie lebend wiederzusehen, und wenn sie die Hoffnung aufgab -  wieder so ein verrückter Gedanke! -, könnte sie für den Tod des Kindes verantwortlich sein, denn möglicherweise - noch verrückter! - wurde Melanie nur durch fortwährenden leidenschaftlichen Glauben am Leben erhalten, wie Tinkerbell in Peter Pan. Sie war sich bewußt, daß sie Symptome stiller Hysterie entwickelte. Die Idee, daß Melanies Leben von ihrem Glauben und ihrer Selbstbeherrschung abhängen könnte, war völlig absurd; sie war sich darüber im klaren, konnte sich aber dennoch nicht von dieser Vorstellung lösen, unterdrückte deshalb mühsam ihre Tränen und versuchte, sich zum Optimismus zu zwingen.
    Die Scheibenwischer surrten monoton, der Regen trommelte aufs Wagendach, und Studio City schien so weit entfernt zu sein wie Hongkong. Sie bogen vom Ventura Boulevard nach Studio City ab, einem Viertel, das sich in architektonischer Hinsicht durch das geschmacklose Nebeneinander verschiedenster Häusertypen auszeichnete: Kolonialstil, spanischer Stil, Cape Cod-Stil... Seinen Namen verdankte das Viertel den alten Republic Studios, wo einst - bevor das Fernsehen aufkam  - viele Western mit niedrigen Budgets gedreht worden waren. Seit es mit der Wohnqualität von Hollywood langsam aber sicher bergab ging, zogen immer mehr Drehbuchautoren, Maler, Künstler und Kunsthandwerker nach Studio City, sehr zum Mißvergnügen der Alteingesessenen, die mit der Lebensweise ihrer neuen Nachbarn oft überhaupt nicht einverstanden waren.
    In einer ruhigen Sackgasse, die von Lorbeer- und Korallenbäumen gesäumt war, hielt Quade vor einem bescheidenen Haus im Ranch-Stil an, wo schon mehrere Andere Fahrzeuge geparkt waren, darunter zwei dunkelgrüne Ford-Limousinen, zwei Streifenwagen und ein grauer Kastenwage n mit dem Stadtwappen auf der Tür. Doch Lauras Aufmerksamkeit galt ausschließlich einem weiteren Kastenwagen - einem Leichenwagen.
    0 Gott, nein! Bitte! Nein!
    Laura schloß ihre Augen und versuchte sich einzureden, dies alles sei nur ein Traum. Der nächtliche Anruf der Polizei, Quade, dieses Haus -alles war bestimmt nur einer ihrer Alpträume, aus dem sie gleich erwachen würde.
    Doch als sie ihre Augen wieder öffnete, stand der Leichenwagen noch immer da.
    An allen
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