Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
TEIL I
    Das graue Zimmer
    Mittwoch
    2.50 Uhr bis 8.00 Uhr
1
    Laura kleidete sich hastig an und öffnete die Haustür gerade in dem Moment, als ein Streifenwagen der Polizei von Los Angeles an der Bordsteinkante vor ihrem Haus hielt. Sie ging hinaus, warf die Tür hinter sich zu und lief den Gartenweg entlang.
    Alle Schleusen des nächtlichen Himmels hatten sich über der Großstadt geöffnet. Der kalte Regen peitschte Laura ins Gesicht. Sie hatte keinen Schirm mitgenommen, denn sie wußte nicht mehr, in welchem Schrank sie ihn verstaut hatte, und sie wollte keine Zeit mit der Suche danach verschwenden. Es donnerte heftig, aber sie nahm dieses bedrohliche Grollen kaum wahr. Ihr rasendes Herzklopfen schien jedes andere Geräusch zu übertönen. Ein uniformierter Streifenpolizist stieg aus dem Wagen, sah sie kommen, stieg wieder ein und öffnete die Beifahrertür. Laura nahm neben ihm Platz und schloß rasch die Tür. Mit kalter, zittriger Hand schob sie eine nasse Haarsträhne hinter ihr Ohr. In dem Streifenwagen roch es stark nach einem Desinfektionsmittel; sein Tannenduft vermochte den Gestank von Erbrochenem jedoch nicht ganz zu überdecken.
    »Mrs. McCaffrey?« fragte der junge Polizist. 
    »Ja.«
    »Mein Name ist Carl Quade. Ich soll Sie zu Lieutenant Haldane bringen.« Und zu meinem Mann«, fügte sie nervös hinzu. Davon weiß ich nichts.«
    »Mir wurde gesagt, Dylan, mein Mann, sei gefunden worden.«
    »Lieutenant Haldane wird Sie über alles informieren können.« Laura hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Sie würgte und schüttelte angewidert den Kopf. »Tut mir leid, daß es hier im Wagen so stinkt. Ich habe vorhin einen Mann wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet, und dieser Kerl hatte schweinische Manieren.« Es waren aber nicht die Gerüche, die ihren Magen revoltieren ließen. Ihr war übel, weil man ihr vor wenigen Minuten telefonisch mitgeteilt hatte, ihr Mann sei gefunden worden; aber Melanie war mit keinem Wort erwähnt worden. Und wenn Melanie nicht bei Dylan war -wo mochte sie dann sein? Vermißt? Tot? Nein! 0 Gott, nein! Laura preßte eine Hand auf den Mund, biß die Zähne zusammen, hielt den Atem an, versuchte, der Übelkeit Herr zu werden. Es gelang ihr mit äußerster Willenskraft, und sie erkundigte sich: »Wohin... wohin fahren wir?«
    »Zu einem Haus in Studio City. Es ist nicht weit von hier.«
    »Wurde Dylan dort gefunden?«
    »Wenn Ihnen gesagt wurde, er sei gefunden worden, müßte er sich dort befinden.«
    »Wie hat man ihn ausfindig gemacht? Ich wußte nicht einmal, daß die Polizei nach ihm suchte. Mir hatte man erklärt, die Polizei könne in dieser Angelegenheit nichts tun... sie sei dafür nicht zuständig. Ich glaubte, es bestünde keinerlei Chance, ihn jemals wiederzusehen... und Melanie.«
    »Sie werden sich darüber mit Lieutenant Haldane unterhalten müssen.«
    »Dylan muß einen Bankraub verübt oder irgendein anderes Verbrechen begangen haben«, sagte sie mit unverkennbarer Bitterkeit. »Daß er einer Mutter ihr Kind geraubt hatte, war für die Polizei nämlich nicht interessant  genug."
    "Schnallen Sie sich bitte an.«
    Sie legte nervös den Gurt an, während Quade losfuhr und auf der leeren nassen Straße wendete.
    »Was ist mit meiner Melanie?« fragte sie.
    »Wie bitte?«
    »Meine Tochter. Geht es ihr gut?«
    »Tut mir leid, ich weiß darüber nichts.«
    »War sie nicht bei meinem Mann?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich habe sie seit... seit fast sechs Jahren nicht gesehen.«
    »Ein Streit um die Vormundschaft?«
    »Nein, er hat sie entführt.«
    »Tatsächlich?«
    »Nun ja, nach dem Buchstaben des Gesetzes wurde es als Streit um die Vormundschaft bezeichnet, aber in meinen Augen war es schlicht und einfach eine Entführung.«
    Wie jedesmal, wenn sie an Dylan dachte, stiegen Zorn und Groll in ihr hoch, aber sie versuchte, diese Gefühle zu überwinden, bemühte sich, ihn nicht zu hassen, denn sie hatte plötzlich die verrückte Idee, daß Gott sie beobachte und beurteile, und daß Er entscheiden könnte, sie sei nicht würdig, mit ihrer kleinen Tochter wiedervereint zu werden, wenn sie haßerfüllten Herzens war. Total verrückt! Aber sie wurde diesen Gedanken einfach nicht los. Die Angst raubte ihr den Verstand. Und sie raubte ihr jedwede Kraft, so daß sie sich einen Augenblick lang sogar zu schwach fühlte, um tief durchzuatmen.
    Dylan... Laura fragte sich, wie es wohl sein würde, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher