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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
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ihre Augen waren nicht mehr so eigenartig wie bisher. Sie nahm noch nichts in dieser Welt wahr, aber sie hatte auch aufgehört, dorthin zu starren, wo sie Zuflucht gesucht hatte. Sie stand auf der Grenzlinie zwischen jener Fantasiewelt und der realen Welt, zwischen jener finsteren Innenwelt und der Welt des Lichts, in der sie würde leben müssen. »Wenn der selbstmörderische Drang vorüber ist -und ich glaube, das ist der Fall -, dann haben wir das Schlimmste hinter uns«, sagte Dan. »Ich glaube, daß sie mit der Zeit in die Realität zurückkehren wird. Aber es wird unendliche Geduld und viel Liebe erfordern.«
    »Ich habe beides«, sagte die Frau. »Wir werden helfen«, versprach Earl. »Ja«, bestätigte Dan. »Wir werden helfen.« Vor Melanie lagen Jahre der Therapie, und es war nicht auszuschließen, daß sie autistisch bleiben würde. Aber Dan hatte den Eindruck, daß sie die Tür zum Dezember für immer geschlossen hatte, daß sie diese Tür nie wieder öffnen würde. Und wenn sie geschlossen blieb, wenn Melanie es fertigbrachte zu vergessen, wie man diese Tür öffnete, dann würde sie vielleicht mit der Zeit auch den Schmerz und die Gewalt und den Tod vergessen können, die auf der anderen Seite der Tür auf der Lauer lagen. Das Vergessen war der Anfang der Heilung. Er begriff, daß er diese Lektion auch selbst gebrauchen konnte. Eine Lektion im Vergessen. Er mußte sein eigenes schmerzliches Versagen vergessen. Delmar, Carrie, Cindy Lakey. Er hatte das kindliche Gefühl, wenn er endlich jene düsteren Erinnerungen hinter sich lassen, wenn er seine eigene Tür schließen könnte, dann würde auch Melanie imstande sein, die Tür zum Dezember zu schließen; wenn er es fertigbrachte, sich vom Tod abzuwenden, würde das irgendwie zu Melanies Heilung beitragen. Er gelobte Gott: Herr, ich verspreche Dir, die Vergangenheit endlich zu begraben, nicht mehr soviel über Blut, Tod und Mord zu grübeln, intensiver zu leben, die Freuden des Lebens zu würdigen, das Du mir geschenkt hast, dankbarer für alles zu sein, was Du mir gibst, und ich  bitte Dich dafür nur um eines: Bitte, laß Melanie den Weg zurück ins Leben finden, laß sie wieder ganz gesund werden. Bitte! Abgemacht?« Laura, die ihre Tochter wieder in ihren Armen wiegte, blickte ihn forschend an. »Was ist los? Sie sehen so... so angespannt aus. Worüber denken Sie nach?« Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, das schmutzig und blutbefleckt war. Trotzdem war sie schön. Er sagte: »Das Vergessen ist der Anfang der Heilung.«
    »War es das, worüber Sie soeben nachdachten?«
    »Ja.«
    »War das alles?«
    »Es genügt«, sagte er. »Es genügt voll und ganz.«

    *    *    *    *
    E N D E

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