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TS 68: Die Stadt im Meer

TS 68: Die Stadt im Meer

Titel: TS 68: Die Stadt im Meer
Autoren: Wilson Tucker
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was auf der anderen Seite der Berge liegt!“
    Schweigen. Barra rauchte ihre Pfeife und blies den Rauch an die Decke. Der Captain lauschte dem Regen auf dem Dach und sah dem Rauch zu, der sich aufwärts ringelte. Sie schien den Tabakgeruch nicht zu bemerken. Draußen hörte man die regelmäßigen Schritte des Wachtpostens.
    Zees Augen wanderten zur Karte. Die Kronkolonie West-Somerset erstreckte sich wie ein riesiger Viertelmond von Norden nach Süden, den tiefen Ozean auf der einen, die Berge auf der anderen Seite. Was lag hinter Bergen und Meer? ,Unbekannt’.
    In den acht Jahren, seit sie ihr Offizierspatent bekommen und sich nach einer Abschiedsaudienz bei der Königin hierher eingeschifft hatte, war sie immer wieder unterwegs gewesen, hatte die Eingeborenen beim Ernten beobachtet, hatte die Bevölkerung überwacht und dafür gesorgt, daß der größte Teil der Ernten nach Hause verschifft wurde. Außerdem hatte sie Moral, Gesundheit und Kampfkraft ihrer Truppen aufrechterhalten. Mehr hatte sie nicht zu tun. Nur ein paar hundert Meilen zwischen See und Bergen zu bewachen. Was war auf der anderen Seite?
    Auch zu Hause hatte man darüber gesprochen. Mit mehreren Tausend anderer Mädchen hatte sie sich beim Militär verpflichtet, und von da an war das Militär ihr Lebensinhalt gewesen. Sie hatte nie ans Heiraten gedacht und jeden Gedanken daran in ferne Zukunft geschoben, vielleicht bis zu ihrer Pensionierung. Die Männer auf den Inseln waren nur wenig besser als die Eingeborenen. Sie waren ein paar Zoll größer und natürlich gebräunter als die Männer der Kolonien. Sie waren selbstverständlich intelligenter, ansehnlicher und zeigten einige Handfertigkeit. Aber im Augenblick konnte sie mit ihnen nichts anfangen.
    Die Ärztin hatte das Wort Mann seltsam hervorgehoben.
    Wieder glitten ihre Augen über die Karte und die weißen Stellen hinter den Bergen.
    „Er hat keinen Widerstand geleistet, sagtest du?“ fragte sie plötzlich.
    Barra schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht.“
    „Ein gutes Exemplar in physischer Hinsicht?“
    „Perfekt. Ich wünschte, ich hätte seine Zähne! Und ich wette, er kennt weder Schnupfen noch Magenverstimmung oder Arterienverkalkung. Mein Gott – was für ein Körper!“
    Captain Zee sah sie nachdenklich an. „Für eine Ärztin sprichst du aber sehr enthusiastisch.“
    „Ich?“ Barra war entrüstet. „Ich spreche nur als Ärztin, nicht als Frau.“
    „Das hoffe ich. Der Fremde spricht nicht?“
    „Er kann nicht“, antwortete Barra. „Er versteht unsere Sprache nicht. Kennst du seine?“
    „Warum ist er hergekommen?“
    „Weiß ich nicht. Die Eingeborenen haben der Streife erzählt, daß er nur herumgegangen ist und sich alles angesehen hat.“
    Zee kniff die Augen zusammen. „Spionage?“
    „Für wen?“
    Das konnte sie nicht beantworten. „Ich möchte gerne wissen, warum er gekommen ist. Wenn er physisch so ist, wie du sagst, ist er hier fehl am Platze und sicherlich intelligent genug, das zu erkennen. Die Männer aus den Bergen bleiben nie hier – sie können unter diesen Bedingungen nicht leben. Diesem Mann müßte es auch so gehen.“
    „Aber“, entgegnete die Ärztin, „bis jetzt hat er noch gar nichts tun können. Er wurde doch sofort festgenommen. Und jetzt will er wahrscheinlich schon wieder fort.“ Sie paffte vor sich hin und fügte hinzu: „Ich würde es jedenfalls wollen.“
    Captain Zee warf ihr einen mißtrauischen Blick zu. Dann klopfte es an der Tür, und der zurückkehrende Korporal trat mit tropfnassem Regenmantel in Begleitung zweier Wachen und des Fremden ein.
    Der Korporal salutierte. „Der Stromer, Captain.“ Sie trat beiseite, um den nassen Mantel auszuziehen.
    Captain Zee starrte den Mann offenen Mundes an.
    „Barra! Bei allen Heiligen, er ist ja nackt!“
    „Nicht ganz“, kicherte Barra. „Der Kerl trägt doch eine Art Hose.“
    „Aber das ist unanständig!“
    „Das scheint ihn nicht zu stören.“

 
3.
     
    Der Captain kam langsam hinter dem Schreibtisch hervor und ging mit ungläubigem Staunen auf den Mann zu. Dr. Barra beobachtete den Ausdruck eines völlig neuen Gefühls auf ihrem Gesicht. Sie glaubte zu erkennen, was sie sah. Zee blieb auf Armeslänge vor dem Mann stehen.
    „Barra, er ist so groß!“
    „Wahrscheinlich ist das hinter den Bergen die normale Größe.“
    „Und sieh dir diese Bräune an! Ich habe noch nie jemand gesehen, der so braun ist!“
    „Da drüben scheint ja auch die Sonne.
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