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TS 68: Die Stadt im Meer

TS 68: Die Stadt im Meer

Titel: TS 68: Die Stadt im Meer
Autoren: Wilson Tucker
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wühlte in den Schreibtischschubladen. Ihr Kopf war kaum über den Schreibtisch hinweg zu sehen, und ihre einzige Antwort war ein Brummen. Dr. Barra zog den feuchten Mantel aus und hängte ihn an einen hölzernen Haken neben der Tür; dann entledigte sie sich der schweren Stiefel. Schließlich suchte sie in ihren Taschen nach Tabak.
    Der Captain fuhr hoch.
    „Hier wirst du nicht deine Pfeife rauchen!“
    „Genau das werde ich“, widersprach die Ärztin. „Wenn man so alt ist wie ich, wirkt das sehr beruhigend.“
    Zee zog ein anklagendes Gesicht. „Du bist schon genau wie die Eingeborenen!“
    „Hmmm – vielleicht. Ich bin auch um einiges länger hier als du. Warte mal ab.“ Sie stopfte ihre Pfeife, zündete sie an und setzte sich dem Kommandeur der Militärmacht der Kolonie gegenüber an den Schreibtisch. „Neulich habe ich ein paar Exportlizenzen gesehen. Danach zu urteilen, wird die halbe Bevölkerung des Mutterlandes wie die Eingeborenen.“
    Zee knurrte wieder. „Das Rauchen ist eine scheußliche Angewohnheit.“
    „Vielleicht. Aber zu Hause wird jemand davon reich.“
    „Das geht mich nichts an. Meine Aufgabe ist es, das Militär hier zu befehligen. Wenn die Leute zu Hause im Schmutz wühlen wollen, so ist das ihre eigene Angelegenheit.“
    „A propos Schmutz“, grinste Barra. „Der Platz draußen schreit nach einer neuen Lage von Steinen. Ich bin gespannt, was sie zu Hause sagen, wenn du schon wieder eine Schiffsladung Steine anforderst.“ Sie blies einen Mundvoll Rauch gegen die niedrige Decke. „Sie bluten dies Land aus und jammern um jeden Penny, den sie hineinstecken müssen.“
    Hauptmann Zee starrte in den Rauch. „Manchmal wünsche ich, daß ich einen anderen Beruf ergriffen hätte“, sagte sie abwesend.
    „Sonst noch etwas?“ fragte Barra. „Übrigens haben wir heute einen Stromer aufgegriffen. Einen Fremden.“
    Zee nickte. „Ich habe den Bericht. Er muß irgendwo hier liegen.“
    „Hast du ihn gelesen?“
    „Nur flüchtig. Warum?“
    „Ich würde ihn sorgfältig durchlesen“, riet Barra. „Dieser Mann ist nicht von hier.“
    „Ein Mann aus den Bergen“, zuckte der Captain die Achseln. „Ist wahrscheinlich gekommen, um Lebensmittel zu stehlen, oder um Feuer zu bitten.“
    „Nein“, widersprach ihr Barra wieder. „Dieser ist anders. Ich sagte, er ist ein Mann und keine dieser lahmen Enten, die wir hier an der Küste haben. Dieser ist weder ein Eingeborener der Küste noch einer aus den Bergen.“
    Der Captain und der Korporal starrten sie an.
    „Woher ist er denn dann?“
    Barra zuckte die Achseln und sagte leise: „Ich weiß es nicht.“
    Zee beugte sich über den Schreibtisch, ihre Augen glänzten neugierig. „Holt ihn. Unter Bewachung.“ Der Korporal salutierte, griff sich einen Regenmantel und verschwand.
    Der Captain suchte in den Papieren auf dem Schreibtisch, ohne den Bericht der Sicherheitsstreife zu finden. „Wie sieht er aus?“ fragte sie die Ärztin.
    „Groß“, antwortete Barra und beobachtete den Captain. „Noch größer als du.“
    Zees Gesicht zeigte, daß der Hieb gesessen hatte. „Größer als ich?“
    Barra nickte. „Um mindestens zwei Zoll. Ich sagte ja, er ist ein Mann. Sechs Fuß, zwei Zoll, wie ich gemessen habe, und ich habe zweimal gemessen. Wiegt hundertachtzig Pfund und hat Muskeln wie … wie … nun.“ Sie breitete die Hände aus. „Ich bin sicher, daß er es mit fünf deiner Reiter aufnehmen kann.“
    „Bei den gesegneten Inseln!“ Der Captain suchte fieberhaft zwischen den Papieren. „Wie haben wir ihn gefangen? Hat er sich gewehrt?“
    Die Ärztin grinste. „Hat er nicht. Die Streife ging einfach auf ihn zu und sagte: ,Nun komm mal schön mit.’ Und er ging mit. Er versteht unsere Muttersprache nicht, spricht, wie ich festgestellt habe, kein Wort, kam aber so friedlich mit wie ein Lamm. Fast, als hätte er darauf gewartet.“
    „Ein Fremder!“ wiederholte Zee lebhaft. „Von hinter den Bergen.“ Sie gab die Suche nach dem Bericht auf. „Acht lange Jahre habe ich jetzt in diesem Dreckloch gelebt, acht Jahre voll Regen und Schlamm. Meine Haut ist weiß geworden, und ich habe meinen Ehrgeiz verloren. Acht Jahre mit faulen, schlampigen Eingeborenen und Exportquoten, die eingehalten werden müssen, acht Jahre Betteln um Nachschub von zu Hause. Ich bin im Meer geschwommen und auf alle erreichbaren Berge geklettert. Ich habe auf der Halbinsel im Süden Bananen gepflückt und im Norden Eisblöcke geschnitten. Und acht Jahre
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