Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
zwei Meter Höhe. Das bereitete ihm einige Sorgen, denn ohne fremde Hilfe würde er dort nicht wieder hinaufkommen. Er hatte jedoch eine Idee, und das beruhigte ihn soweit, daß er sich erst einmal in aller Ruhe um seine Nahrung kümmern konnte.
    Während er der Länge nach in der Rille lag und die Straße überschaute, erkannte er die Gegend wieder. Vor ein paar Wochen, als sein Vater starb, war er mit seiner Mutter hier gewesen, als sie mit einem Beamten darüber sprechen wollte, ob sie trotz der Verringerung der Familien-Kopfzahl den einen Wohnraum behalten könne.
    Die Straße, auf die ihn der Kanal geführt hatte, war die 1. Straße, und ganz wie Egan-Egan sich von damals erinnerte, herrschte auf ihr so gut wie gar kein Verkehr.
    Er ließ sich also, wobei er die Lampe krampfhaft festhielt, auf den Boden hinunter und machte sich daran, die Straße zu überqueren; denn die Silos lagen, wie er sich ebenfalls erinnerte, auf der anderen Seite – zwischen der 1. und 2. Straße.
    Einmal sah er zwei Männer, die von derselben Seite aus, von der auch er gekommen war, das Zentralband zu erreichen suchten; aber zu dieser Zeit war er schon dabei, nach der anderen Seite hin seine Fahrt zu verringern, und dachte, daß sie ihn nicht entdecken würden.
    Ungehindert öffnete er den Zugang zu dem Silo, vor dem er gerade das letzte Bremsband verlassen hatte, und trat ein. Die Tür schloß sich automatisch hinter ihm.
    Egan-Egan hatte noch niemals zuvor einen Silo von innen gesehen, und er hätte niemals geglaubt, daß es in einem solchen Raum so viel zu essen auf einem Haufen geben könne. Er brauchte eine geraume Weile, um sich an den Anblick der unsagbar vielen Gestelle mit den unzähligen Nahrungspaketen zu gewöhnen.
    Dann nahm er von dem vordersten Gestell ein Paket herunter und riß es auf. Eine breiige, wohlriechende Masse quoll daraus hervor. Egan-Egan, im Überfluß schwelgend, kümmerte sich nicht darum, wieviel davon nutzlos auf den Boden lief. Er fuhr mit der einen Hand in den Brei hinein, während er in der andern die Lampe hielt, und führte die Nährmasse zum Mund.
    Fast augenblicklich spürte er, wie es seinem Magen besser ging. Er strahlte eine Wärme aus, die den Körper mit wohliger Zufriedenheit erfüllte. Hunger und Durst schwanden in gleicher Weise, da in dem Nährbrei sowohl Wasser als auch nahrhafte Stoffe in den richtigen Verhältnissen miteinander gemischt waren.
    Das allerdings wußte Egan-Egan nicht. Er kannte nicht einmal den Begriff Trinken, denn seitdem es sich erwiesen hatte, daß der Mensch, wenn ihm dieser Begriff und die dazugehörende Tätigkeit geläufig waren, wesentlich mehr Flüssigkeit verbrauchte, als sein Körper in Wahrheit benötigte, wurde die durststillende Substanz im Nährbrei verarbeitet, und die Menschheit gewöhnte sich das Trinken ab.
    Als Egan-Egan nicht mehr hungrig war, begann er zu überlegen, wieviel von dem Nährbrei er mitnehmen könne. Ein ganzes Paket war mehr, als er tragen konnte, selbst ein halbes oder ein Viertelpaket wäre noch zu schwer gewesen. Von dem, das er angebrochen hatte, waren nun immer noch mehr als neun Zehntel übrig. Er konnte den größten Teil davon wegschütten, den Rest zusammenknüllen und in die Tasche stecken; dann …
    Dann sagte hinter ihm eine kalte, unfreundliche Stimme:
    „Was tust du hier, Bursche? Wie kommst du hier herein?“
    Egan-Egan sprang auf und fuhr herum. Die linke Hand ließ die Lampe nicht los. Hinter ihm, in der Nähe der Tür, standen zwei Männer. Der eine von ihnen schien ziemlich alt zu sein; wahrscheinlich hatte er gesprochen, denn er stand weiter vorne. Der andere war noch jung und lächelte über den Schrecken in Egan-Egans Gesicht.
    „Ich – ich habe Hunger gehabt – und“, stotterte Egan-Egan, „da bin ich …“
    „Da bist du hierhergekommen, um etwas zu stehlen!“ fuhr ihn der ältere Mann an. „Anstatt deine Eltern zu bitten, daß sie dir etwas geben. Wie steht es in der Goldenen Regel geschrieben?“
    „Du darfst der Allgemeinheit nichts nehmen, um es dir als einzelnem zuzuführen“, antwortete Egan-Egan in der Hoffnung, er habe von den vielen Sätzen der Goldenen Regel, die sich auf diese Situation anwenden ließen, gerade den aufgesagt, den der Mann gemeint hatte.
    Der Mann nickte, und Egan-Egan gewann einen Teil seines Selbstvertrauens zurück.
    „Ich habe aber keine Eltern“, sagte er schon beinahe wieder trotzig. „Hunger hatte ich aber eine ganze Menge.“
    Er sah, wie der junge Mann noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher