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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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bekommen, und bis vor einer Minute haben sie keines gewollt. Jetzt wollen sie plötzlich eines.«
    »Dann haben sie ein Problem«, sagte ich. »Das sehe ich auch so.« Marino war außer Atem. Wesley erwiderte nichts, aber ich sah ihm an, daß er versteinert war, und das kam äußerst selten vor. Die schmale Straße führte uns durch das Meer der Fahrzeuge und Menschen, die darauf warteten zu helfen. Das bräunliche Gebäude wurde immer größer. Der mobile Kommandoposten auf dem Rasen glitzerte in der Sonne, die konischen Kühltürme und der Kühlkanal waren so nahe, daß ich sie mit einem Steinwurf hätte erreichen können.
    Ich hatte keinen Zweifel, daß die Neuen Zionisten uns im Visier hatten und den Abzug auslösen konnten, wenn sie wollten, um uns einen nach dem anderen umzulegen. Die Fenster, von denen aus sie uns beobachteten, wie wir vermuteten, waren offen, aber ich konnte hinter den Gittern nichts erkennen. Wir gingen zur Vorderseite des Funkwagens, wo ein halbes Dutzend Polizisten und Agenten in Zivil um Lucy herumstanden, und ihr Anblick ließ mein Herz beinahe stillstehen. Sie trug eine schwarze Uniform und Stiefel und war wieder wie in der ERF an Kabel angeschlossen. Nur trug sie diesmal zwei Handschuhe, und Toto stand funktionsbereit am Boden, sein dicker Hals mit einer Spule Glasfaser verbunden, lang genug, um ihn bis nach North Carolina zu bringen.
    »Es ist besser, wenn wir den Hörer festkleben«, sagte meine Nichte gerade zu Männern, die sie wegen der Cyberbrille vor ihren Augen nicht sehen konnte. »Wer hat Klebeband?«
    »Warte mal.«
    Ein Mann in einem schwarzen Overall griff in eine große Werkzeugkiste und warf einem anderen eine Rolle Klebeband zu. Der riß einige Streifen ab und befestigte den Hörer auf der Gabel eines schlichten schwarzen Telefons in einer Schachtel, die fest in den Greifern des Roboters gehalten wurde. »Lucy«, sagte Wesley. »Ich bin's, Benton Wesley. Ich bin hier.«
    »Hi«, sagte sie, und ich konnte ihre Nervosität spüren. »Sobald du ihnen das Telefon geliefert hast, werde ich zu reden anfangen. Ich möchte nur, daß du weißt, was ich tue.«
    »Sind wir bereit?« fragte sie. Sie hatte keine Ahnung, daß ich hier war.
    »Dann also los«, sagte Wesley, spannungsgeladen. Sie drückte einen Knopf auf ihrem Handschuh, und Toto erwachte mit leisem Surren zum Leben, und das eine Auge in seinem kuppelförmigen Hirn drehte sich, als würde es sich wie eine Kameralinse scharfstellen. Sein Kopf schwang herum, als Lucy einen anderen Knopf auf dem Handschuh drückte, und alle sahen in stummer Erwartung zu, wie die Schöpfung meiner Nichte sich plötzlich in Bewegung setzte. Sie bahnte sich auf Gummiketten ihren Weg, das Telefon fest in den Greifern, während sich Glasfaser und Telefonkabel abspulten. Lucy dirigierte Totos Reise wie ein Orchester, die Arme ausgestreckt zu sanfter Bewegung. Sicher rollte der Roboter über die Straße, über Kies und durch das Gras, bis er so weit weg war, daß einer der Agenten Feldstecher verteilte. Toto, der nun einem Gehweg folgte, erreichte vier Betonstufen, die zum gläsernen Vordereingang des Hauptgebäudes führten, und blieb stehen. Lucy holte tief Luft, während sie ihren Freund aus Metall und Plastik ihre Telepräsenz spüren ließ. Sie drückte einen weiteren Knopf, worauf sich die Greifer mit ihren Armen ausstreckten. Sie ließen das Telefon langsam sinken und stellten es auf der zweiten Stufe ab. Toto wich zurück und schwang herum, und Lucy schickte ihn auf den Heimweg.
    Der Roboter war noch nicht weit gekommen, als wir alle sahen, wie die Glastür aufging und ein bärtiger Mann in Khakihose und Sweater schnell heraustrat. Er griff sich das Telefon von der Stufe und verschwand wieder nach drinnen.
    »Gute Arbeit, Lucy«, sagte Wesley, der nun sehr erleichtert klang. »Okay, verflucht nochmal, jetzt ruft an«, fügte er hinzu, nicht an uns, sondern an sie gerichtet. »Lucy«, sagte er noch, »wenn du bereit bist, dann komm mit rein.«
    »Ja«, antwortete sie, während ihre Arme Toto sicher über jede Senke und Kuppe dirigierten.
    Dann stiegen Marino, Wesley und ich die Stufen hoch in die mobile Befehlszentrale, die grau und blau eingerichtet und mit Tischen und Stühlen ausgestattet war. Es gab eine kleine Küche und ein Bad, und die Scheiben waren getönt, damit man hinaus-, aber nicht hineinsehen konnte. Die Funk- und Computerausrüstung war im hinteren Teil angebracht, und auf fünf Fernsehgeräten liefen bei gedämpfter
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