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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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halten können«, sagte ich ruhig. Er nahm das Gewehr aus meinem Nacken, und ich injizierte die letzte Ampulle Salzlösung in den Infusionsschlauch ihres toten Anführers. Schweißperlen rollten mir über den Rücken, und der Kittel, den ich über meine Kleider gezogen hatte, war naß. Ich stellte mir gerade Lucy draußen in der mobilen Einsatzstelle in ihrem Cyberhelm vor. Ich malte mir aus, wie sie Finger und Arme bewegte und hierhin und dahin schritt, während das Glasfaser es ihr ermöglichte, jeden Zentimeter des Terrains auf ihrer Videobrille zu erkennen. Ihre Telepräsenz war die einzige Hoffnung, daß Toto nicht in einer Ecke steckenblieb oder hinfiel.
    Die Männer schauten aus dem Fenster und gaben ihre Kommentare dazu, als die Gliederketten den Roboter über die Behindertenrampe hinaufzogen und er hineinging. »So einen hätte ich auch gern«, sagte einer von ihnen. »Du bist zu blöd, um zu kapieren, wie man ihn steuert.«
    »Überhaupt nicht. Dieses Baby ist nicht über Funk gesteuert. Keine Funksteuerung würde hier funktionieren. Hast du eine Ahnung, wie dick die Wände sind?«
    »Er wäre toll zum Reintragen von Brennholz, wenn so ein Sauwetter ist.«
    »Entschuldigung, ich muß mal die Toilette benutzen«, sagte eine der Geiseln ängstlich.
    »Scheiße. Nicht schon wieder.«
    Meine Spannung wurde unerträglich, als ich mir voller Angst ausmalte, was geschehen würde, wenn sie hinausgingen und nicht zurück wären bei Totos Auftauchen.
    »He, laß ihn noch warten. Verdammt, ich wünsch mir, wir könnten diese Fenster schließen. Es ist scheißkalt hier drin.«
    »Eine so saubere, kalte Luft wirst du aber in Tripolis nicht mehr haben. Genieß sie lieber, solange du noch kannst.« Einige von ihnen lachten, als gleichzeitig die Tür aufging und ein Mann hereinkam, den ich noch nicht gesehen hatte. Er war dunkelhäutig und bärtig, trug eine schwere Jacke und Arbeitskleidung, und er war zornig.
    »Wir haben erst fünfzehn Brennelemente draußen und in den Kästen auf dem Kahn«, sagte er nachdrücklich. Er sprach mit schwerem Akzent. »Ihr müßt uns mehr Zeit geben. Dann können wir mehr holen.«
    »Fünfzehn sind schon gewaltig viel«, sagte Bear, der sich von diesem Mann anscheinend nicht beeindrucken ließ. »Wir brauchen aber mindestens fünfundzwanzig Brennelemente! Das war so vereinbart.«
    »Das hat mir keiner gesagt.«
    »Er weiß es.« Der Mann mit dem Akzent schaute auf Hands Leiche am Boden.
    »Aber er steht dir für eine Diskussion gerade nicht zur Verfügung.« Bear drückte mit dem Stiefelabsatz eine Zigarette aus. »Begreifst du?« Der fremde Mann wurde wütend. »Jedes Brennelement wiegt eine Tonne, und der Kran muß es von dem gefluteten Reaktor ins Becken ziehen und dann in einen Kasten verfrachten. Das geht sehr langsam und schwierig. Es ist sehr gefährlich. Du hast versprochen, wir würden mindestens fünfundzwanzig kriegen. Jetzt drängelst du wegen ihm und wirst nachlässig.« Der Mann deutete erzürnt auf Hand. »Wir haben eine Abmachung!«
    »Die einzige Abmachung, die ich habe, ist die, mich um ihn zu kümmern. Wir müssen ihn auf den Kahn bringen und die Ärztin mitnehmen. Dann bringen wir ihn in ein Krankenhaus.«
    »Das ist Unsinn! Er sieht mir jetzt schon tot aus! Ihr sei d verrückt.«
    »Er ist nicht tot.«
    »Schau ihn doch an. Er ist schneeweiß und atmet nicht. Er is t tot!« Sie brüllten einander an, und Bear ging mit polternde n Stiefeln auf mich zu und wollte wissen: »Er ist nicht tot, oder?«
    »Nein«, sagte ich.
    Schweiß strömte ihm übers Gesicht, als er die Pistole aus seinem Gürtel zog und sie zuerst auf mich richtete. Dann zielte er auf die Geiseln, und alle duckten sich. Jemand fing zu weinen an. »Nein, bitte. Ach, bitte«, bettelte ein Mann. »Wer muß so dringend aufs Klo?« brüllte Bear. Sie schwiegen zitternd, während ihr Atem die Kapuzen leicht bewegten und weiße Augen daraus starrten. »Warst du das?« Die Waffe zielte auf einen anderen. Die Tür zum Kontrollraum war offengelassen worden, und ich konnte das Surren von Toto im Gang hören. Er hatte es über die Treppe und den Steg geschafft und würde in Sekunden hier sein. Ich nahm ein langes metallenes Blitzgerät, das von der ERF entworfen worden war und das meine Nichte mir in die Arzttasche gesteckt hatte.
    »Verdammt, ich will wissen, ob er tot ist«, sagte einer der Männer, und ich wußte, mein Täuschungsmanöver war zu Ende. »Ich zeige es Ihnen«, sagte ich, als das Surren lauter
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