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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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Ampulle Salzlösung heraus und injizierte fünfzig Millimeter in Hands Infusionsschlauch, als würde ich ihm eine magische Dosis verabreichen.
    »Wie geht es ihm?« fragte einer der Männer laut, als noch eine Geisel zur Toilette geführt wurde. »Ich habe ihn für den Augenblick stabilisiert«, log ich. »Wann wird er wieder zu sich kommen?« fragte ein anderer. Ich fühlte ihrem Anführer wieder den Puls, aber er war so schwach, daß ich ihn kaum finden konnte. Plötzlich kniete sich der Mann neben mir auf den Boden und befühlte Hands Hals. Er schob die Finger unters Eis, preßte sie aufs Herz, und als er zu mir aufblickte, war er erschrocken und wütend. »Ich spüre nichts!« kreischte er, ganz rot im Gesicht. »Sie sollten auch nichts spüren. Es ist ausschlaggebend, daß wir ihn in einem hypothermischen Zustand halten, damit wir das Ausmaß der Strahlenschäden an den Blutgefäßen und Organen eindämmen können«, sagte ich ihm. »Ich habe ihm starke Dosen von Diethylen-Triamin-Pentacetyl-Lösung gegeben, und er ist noch ganz lebendig.«
    Er stand mit wildem Blick auf und trat noch einen Schritt auf mich zu, den Finger am Abzug seiner Tec-9. »Woher wissen wir, daß du nicht irgendeinen Scheiß machst und seinen Zustand verschlimmerst?«
    »Das wissen Sie nicht.« Ich zeigte keine Gefühlsregung, weil ich mich damit abgefunden hatte, daß ich an diesem Tag sterben würde, und ich hatte keine Angst mehr. »Sie haben keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, daß ich weiß, was ich tue. Ich habe seinen Metabolismus stark verlangsamt. Und er wird so schnell nicht wieder zu sich kommen. Ich versuche nur, ihn am Leben zu erhalten.« Er wandte den Blick ab. »He, Bear, bleib ruhig.«
    »Laß die Frau in Ruhe.«
    Ich kniete weiter bei Hand, während seine Infusion tropfte und unter der Barrikade schmelzendes Eis durchsickerte, das sich über den Boden ausbreitete. Ich prüfte mehrmals seine vitalen Funktionen und machte mir Notizen, damit es so aussah, als sei ich mit seiner Betreuung sehr beschäftigt. Ich konnte es mir nicht verkneifen, immer wieder aus den Fenstern zu blicken und mich wegen meiner Kameraden zu wundern. Kurz vor drei versagten seine Organe, wie Gefolgschaften, die plötzlich ihr Interesse verloren haben. Joel Hand starb ohne ein Zucken oder Geräusch, während kaltes Wasser in kleinen Bächen durchs Zimmer rann.
    »Ich brauche Eis und noch mehr Medikamente«, sagte ich und blickte auf.
    »Und was dann?« Bear kam näher.
    »Dann müssen Sie ihn irgendwann in ein Krankenhaus bringen.«
    Niemand antwortete.
    »Wenn Sie mir das, was ich verlangt habe, nicht besorgen, kann ich nichts mehr für ihn tun«, stellte ich nüchtern fest. Bear ging ans Geiseltelefon, das auf einem Tisch stand. Er gab durch, daß wir Eis und mehr Medikamente brauchten. Ich wußte, nun mußten Lucy und ihr Team aber handeln, sonst würde ich womöglich erschossen werden. Ich entfernte mich von der immer größer werdenden Pfütze um Hand, und als ich in sein Gesicht blickte, fiel es mir schwer zu glauben, daß er so viel Macht über andere besessen hatte. Aber alle in diesem Raum und auch die im Reaktor und auf dem Lastkahn würden für ihn töten. Sie hatten es bereits getan.
    »Der Roboter bringt das Zeug. Ich geh raus, um es zu holen«, sagte Bear, während er aus dem Fenster schaute. »Er ist jetzt auf dem Weg hierher.«
    »Wenn du da rausgehst, brennen sie dir womöglich eins auf den Pelz.«
    »Nicht, wenn sie hier ist.« Bears Blick war feindselig und irr. »Der Roboter kann es Ihnen bringen«, überraschte ich sie. Bear lachte. »Denk doch an all diese Stufen! Glaubst du, daß dieser Blecharsch die bewältigt?«
    »Der schafft das ausgezeichnet«, sagte ich und hoffte, daß es stimmte.
    »He, laß ihn das Zeug reinbringen, damit niemand rauszugehen braucht«, sagte ein anderer Mann.
    Bear holte Wesley wieder ans Geiseltelefon. »Lassen Sie den Roboter die Sachen in den Kontrollraum bringen. Wir gehen nicht raus.« Er knallte den Hörer auf und erkannte nicht, was er gerade in Gang gesetzt hatte.
    Ich dachte an meine Nichte und betete für sie, denn ich wußte, dies war ihre schwerste Herausforderung. Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich einen Gewehrlauf im Nacken spürte. »Wenn du ihn sterben läßt, bist du auch tot. Kapiert, du Hure?« Ich rührte mich nicht.
    »Bald werden wir von hier absegeln, und es wäre besser, wenn er bei uns ist.«
    »Solange Sie mich mit dem Notwendigen versorgen, werde ich ihn am Leben
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