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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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fielen auch hier blutige Schleifspuren am Boden auf, nur waren sie frisch und führten hinter eine Konsole, wo das letzte Opfer hingeworfen worden war. Ich fragte mich, wie viele Leichen ich später noch finden sollte, falls ich nicht selbst dan n eine Leiche wäre.
    »Dort rüber«, befahl mein Begleiter.
    Joel Hand lag mit dem Rücken auf dem Boden, von einem Vorhang zugedeckt, den jemand von einem Fenster gerissen hatte. Er war sehr bleich und noch naß vom Becken, wo er Wasser geschluckt hatte, das ihn töten würde, egal, was ich noch unternahm. Ich erkannte sein Gesicht mit den vollen Lippen, von damals, als ich ihn im Gericht gesehen hatte, nur sah er aufgedunsener und älter aus.
    »Wie lange ist er schon in diesem Zustand?« Ich sprach mit dem Mann, der mich hereingebracht hatte. »Vielleicht anderthalb Stunden.«
    Er rauchte und ging auf und ab. Er wich meinem Blick aus, eine Hand fingerte nervös an der Trommel seiner Waffe, die auf meinen Kopf gerichtet war, als ich die Arzttasche absetzte. Ich drehte mich um und sah ihn an. »Richten Sie die nicht auf mich«, sagte ich. »Du hältst die Klappe.« Er blieb stehen und sah aus, als würde er mir gleich den Schädel einschlagen. »Ich bin hier, weil Sie mich darum gebeten haben, und versuche zu helfen.« Ich fixierte seine glasigen Augen, und ich klang professionell. »Wenn Sie meine Hilfe nicht wollen, dann können Sie mich gleich erschießen oder mich gehen lassen. Keines von beiden wird ihm helfen. Ich versuche, sein Leben zu retten, und darf dabei nicht von Ihrer gottverdammten Waffe abgelenkt werden.«
    Er wußte nicht, was er sagen sollte, und lehnte sich an eine Konsole mit genügend Reglern, um uns zum Mond zu fliegen. Bildschirme an den Wänden zeigten, daß beide Reaktoren abgeschaltet waren, und auf einer Schalttafel leuchtete es rot auf, eine Warnung vor Problemen, die ich nicht begriff. »He, Wooten, beruhige dich.« Einer seiner Kumpane zündete sich eine Zigarette an.
    »Jetzt öffnen wir die Eisbehälter«, sagte ich. »Ich wünschte, wir hätten eine Wanne, aber die haben wir nicht. Da sind ein paar Bücher auf diesen Arbeitsflächen, und es sieht so aus, als gäbe es dort drüben beim Faxgerät mehrere Stapel Papier. Bringen Sie alles her, was Sie auftreiben, damit wir eine Umgrenzung haben.«
    Männer brachten mir alle möglichen dicken Handbücher, Papierbündel und Aktentaschen, die, wie ich annahm, den Angestellten gehörten, die sie gefangengenommen hatten. Ich baute eine rechteckige Begrenzung um Hand auf, als wäre ich in meinem Garten und legte ein Blumenbeet an. Dann bedeckte ich ihn mit fünfzig Pfund Eis, ließ nur sein Gesicht und einen Arm frei.
    »Wozu ist das gut?« Der Mann namens Wooten war näher gerückt, und er klang, als stamme er irgendwo aus dem Westen. »Er ist akuter Strahlung ausgesetzt gewesen«, sagt ich. »Sein Organismus wird schwer angegriffen, und der einzige Weg, das aufzuhalten, ist, alle Funktionen zu verlangsamen.« Ich öffnete die Arzttasche und holte eine Nadel heraus, die ich in den Arm ihres sterbenden Anführers steckte und mit Klebeband fixierte. Ich schloß einen Infusionsschlauch an, der zu einem Beutel an einem Ständer führte, der nichts als eine harmlose Salzlösung enthielt, die gar nichts bewirken würde. Sie begann zu tropfen, während sein Körper unter der zentimeterdicken Eisschicht kühler wurde.
    Hand war kaum noch am Leben, und mein Herz hämmerte, als ich auf diese schwitzenden Männer blickte, die glaubten, daß dieser Mann, den ich zu retten vorgab, Gott war. Einer hatte seinen Pullover ausgezogen, und sein Unterhemd war fast grau, die Ärmel von jahrelangem Waschen abgenützt. Ich fragte mich, wo ihre Frauen und Kinder waren, und ich dachte an die Barkasse auf dem Fluß und daran, was in anderen Teilen des Reaktors vor sich gehen mußte.
    »Entschuldigung«, ertönte kaum vernehmlich eine zitternde Stimme. Zumindest eine der Geiseln war eine Frau. »Ich muß auf die Toilette.«
    »Mullen, bring sie hin. Wir wollen nicht, daß jemand hier reinscheißt.«
    »Entschuldigung, aber ich muß auch«, sagte eine weitere Geisel, diesmal ein Mann. »Ich ebenfalls.«
    »In Ordnung, alle der Reihe nach«, sagte Mullen, der jung und groß war.
    Ich wußte zumindest eines, was das FBI nicht wußte. Die Neuen Zionisten hatten nie vorgehabt, noch jemanden freizulassen. Terroristen stülpen ihren Geiseln Kapuzen auf, weil es leichter ist, Menschen zu töten, die kein Gesicht haben. Ich holte eine
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