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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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auf. Sie flogen an Old Point vorbei, worauf wir nun sehen konnten. Die Kühltürme aus Beton ragten in die klare blaue Luft. »Es tut mir schrecklich leid«, entschuldigte sich der Senator bei uns, denn er war vor allem ein Gentleman. Wir blickten hinab auf Scharen von Polizei- und Einsatzfahrzeugen, Kranken- und Feuerwehrwagen, Satellitenschüsseln und Übertragungswagen. Zu Dutzenden standen Menschen draußen, als wollten sie den herrlich frischen Tag genießen, und Wesley informierte uns, daß dort, wo sie versammelt waren, das Besucherzentrum war, das als Befehlszentrale für den äußeren Ring diente.
    »Wie Sie sehen«, erklärte er, »ist es nicht weiter als eine halbe Meile vom Kraftwerk und von dem Hauptgebäude dort entfernt.« Er deutete darauf.
    »Im Hauptgebäude ist auch der Kontrollraum?« fragte ich. »Richtig. Das dreigeschossige helle Backsteingebäude da. Dort sind sie, zumindest die meisten, glauben wir, einschließlich der Geiseln.«
    »Nun, dort müssen sie sein, wenn sie etwas mit den Reaktoren vorhatten, etwa sie abzuschalten, was sie ja schon getan haben, wie wir wissen«, bemerkte Senator Lord. »Und was dann?« fragte die Justizministerin. »Es gibt Notgeneratoren, damit niemand ohne Strom ist. Und das Kraftwerk selbst hat eine Notstromversorgung«, sagte Lord, der als glühender Verfechter der Atomenergie bekannt war. Breite Wasserstraßen liefen an zwei Seiten des Kraftwerks entlang; die eine vom James River, die andere zu einem künstlichen See in der Nähe. Über weite Flächen waren Transformatoren und Stromleitungen verteilt sowie Parkplätze mit vielen Autos, die den Geiseln und den Menschen gehörten, die zu Hilfe geeilt waren. Es schien keinen einfachen Weg zu geben, sich dem Hauptgebäude ungesehen zu nähern, denn jedes Atomkraftwerk ist mit den striktesten Sicherheitsvorkehrungen geplant. Jeder Unbefugte soll ferngehalten werden, und dummerweise gehörten jetzt wir dazu. Ein Einstieg über das Dach etwa würde es erforderlich machen, Löcher in Metall und Beton zu bohren, und das ging nicht ohne das Risiko, entdeckt zu werden. Ich hatte den Verdacht, daß Wesley möglicherweise über einen Zugang auf dem Wasserweg nachdachte, denn HRT-Taucher könnten unbemerkt sowohl in den Fluß als auch in den See gelangen und über den Kanal sehr nahe an das Hauptgebäude herankommen. Es sah mir danach aus, als könnten sie bis auf zwanzig Meter an die Tür heranschwimmen, die die Terroristen gestürmt hatten, aber wie die Agenten dann an Land unbemerkt bleiben sollen, das konnte ich mir nicht vorstellen. Wesley äußerte nichts über irgendeinen Plan, denn der Senator und die Ministerin waren zwar Verbündete, sogar Freunde, aber sie waren auch Politiker. Weder das FBI noch die Polizei wollten, daß Washington sich in ihr Unternehmen einschaltete. Was der Gouverneur vorhin getan hatte, war schon schlimm genug.
    »Wenn Sie sich nun die großen weißen Übertragungswagen in der Nähe des Hauptgebäudes ansehen«, sagte Wesley, »das ist unsere Befehlszentrale für den inneren Ring.«
    »Ich dachte, die gehören zu einem Nachrichtenteam«, kommentierte die Ministerin.
    »Dort versuchen wir, eine Verbindung zu Mr. Hand und seinen Spießgesellen herzustellen.«
    »Wie?« »Zunächst einmal möchte ich mit ihnen reden«, sagte Wesley. »Hat noch niemand mit ihnen gesprochen?« fragte der Senator. »Bislang schienen sie sich überhaupt nicht für uns zu interessieren«, sagte er.
    Der Bell 222 senkte sich langsam, aber laut herab, während sich Reporterteams neben einer Landefläche gegenüber des Besucherzentrums versammelten. Wir nahmen unsere Aktenmappen und Taschen und stiegen im starken Wind der Rotoren aus. Wesley und ich schritten rasch und wortlos aus. Ich blickte nur einmal zurück und sah Senator Lord, von Mikrophonen umgeben, während die mächtigste Juristin unseres Landes eine Reihe gefühlsbetonter Äußerungen von sich gab. Wir gingen ins Besucherzentrum mit seinen vielen Schautafeln für Schulkinder und Neugierige. Derzeit war der gesamte Bereich zwischen der örtlichen und der bundesstaatlichen Polizei aufgeteilt. Die Beamten tranken Limonade, aßen Fast Food und Snacks neben Plänen und Karten auf Ständern, und ich fragte mich, was jemand von uns anderes tun könnte. »Wo ist dein Außenposten?« fragte mich Wesley. »Er sollte bei den Einsatzkräften sein. Ich glaube, ich habe unseren Kühlwagen aus der Luft entdeckt.« Er ließ seinen Blick schweifen, bis er an der Tür der
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