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Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains

Titel: Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains
Autoren: Daniel Fox
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    H an würde töten – oder er würde heute Nacht sterben. Auf dem Wasser, im Nebel.
    Wenn er eine Wahl hatte, war ihm das nicht bewusst. Es würde einen Leichnam geben – einen toten Jungen, über Bord in die dichte, weiße Kälte geworfen, die das dunkle Meer vom Deck aus unsichtbar machte. Das würde er sein – oder aber Yerli. Sein neuer Freund Yerli. Sie durften nicht entscheiden, nur kämpfen.
    Er hatte den Tod schon gesehen: hingerichtete Verbrecher und unterernährte Kinder, eine alte Frau in einem Graben. Einen Magier, der auf einer Bahre in der ganzen Pracht seiner Gelehrtenroben einhergetragen worden war, damit alle Einwohner seiner Stadt darüber staunen konnten, dass er sterblich war.
    Hans eigene Mutter, tot im Familienbett, mit dem Neugeborenen in den Armen, das sie in den Tod gerissen hatte, und dem kupferartigen Gestank von viel Blut im Zimmer.
    Er hatte erst am vergangenen Tag den Tod aus größerer Nähe gesehen: den seines einstigen Herrn, des Schreibers, an den Hans Vater ihn verkauft hatte. Meister Doshu
war einen Schreibertod gestorben, brutal, rasch und sinnlos, und die Pinsel seines Handwerks schmückten nun den Haarknoten seines Mörders.
    Sie waren auf dem Weg von einem Dorf zum nächsten gewesen, auf der endlosen Rundreise wandernder Handwerker. Meister Doshu ritt auf seinem Esel, der sein ganzer Stolz war, während Han den beiden im Staub, den die Hinterläufe des Tiers aufwirbelten, nachtrottete, beladen mit allen Bündeln und Gepäckstücken seines Herrn, dem zusammengeklappten Schreibpult und seinen Schuhen.
    Der Esel war nützlicher und wertvoller als Han. Das war einfach so, und Han war daran gewöhnt. Er war ganz zufrieden: Er holte Dinge, trug Lasten, machte den Ausrufer für seinen Herrn auf dem Marktplatz, kaufte oder erbettelte Abendessen und Bett für seinen Herrn – und auch für sich, wenn er Glück hatte. Er lernte die Schriftzeichen. Lernte, seine blauen Flecken, seinen Hunger, seinen übrigen Kummer in der Stille seines Herzens zu ertragen. Es war ein Jungenleben, eines, mit dem man sich zufriedengeben konnte.
    Die Straße, auf der sie unterwegs waren, hielt der tief verwurzelten Weisheit Reisender entsprechend einen vorsichtigen Abstand von einer Meile zur Küste. Das war nicht genug.
    Eine Brücke, die einen Wasserlauf überquerte, der sich in seinem Eifer, zum Meer zu gelangen, überschlug. Drei Männer, die spät und eilig aus den Schatten darunter hervorkamen, wo sie lange wartend im schenkeltiefen, bitterkalten Wasser gestanden haben mussten. Auch sie
waren bitter, als sie entdeckten, dass sie es nur mit einem abgerissenen Schreiber und einem Knaben zu tun hatten, obwohl das Hufgeklapper sie doch wohl auf einen Beamten hatte hoffen lassen.
    Dennoch packte einer die Zügel des Esels, während ein anderer eine ordentliche Seilschlinge über Meister Doshus Kopf warf. Han sah, wie die Schlinge sich zuzog, dabei den Bart seines Herrn erfasste und die langen Haare unter dessen Kinn zog, sodass er nicht wie er selbst aussah, während sein Mund wie der eines Fisches nach der Luft schnappte, die er nicht bekam, und seine Finger nach einem Riemen griffen, der sich zu tief in seine Kehle gegraben hatte.
    Han schrie und wurde beiseitegestoßen. Er rappelte sich auf, das Messer in der Hand, und wurde gepackt, gefesselt und geschlagen, während Meister Doshus Gesicht dunkler wurde, seine Beine langsam zu zappeln aufhörten und seine Hände schlaff herabsanken.
    Han musste das mit ansehen, alles mit ansehen. Starke, schwielige Hände beruhigten den Esel, klopften ihm aufs Hinterteil. Han war schwindelig. Er hörte eine raue Stimme: »Heute Abend werden wir gut essen.« Dieselben Hände überprüften seine Fesseln und versetzten ihm mit derselben lässigen Promptheit eine Ohrfeige.
    Irgendjemand kicherte.
    Meister Doshus Leiche wurde alles abgenommen, was nützlich oder wertvoll sein mochte – alles, was er trug, bis hin zu seiner Unterwäsche. Seine Elfenbeinringe riefen ein Grunzen hervor; die Ärmlichkeit seines Geldbeutels brachte Han eine weitere Ohrfeige ein. Sämtliche
Bündel und Taschen wurden auf den Jungen und den Esel verteilt. Sobald sie beladen waren – beide leichter als zuvor, wenn denn Angst und Verhängnis kein Gewicht hatten -, wurden Esel und Junge jeweils an einem Halfter aus Stricken davongeführt.
     
    Sie folgten dem Wasserlauf zu seiner Mündung unterhalb eines Vorgebirges. Dort lag in den Schatten eine hochbordige Dschunke vor Anker. Piraten also.
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