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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich
Autoren: T Carpenter , Britta Strauss , Kerstin Dirks , Helene Henke , Tanya Carpenter
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Tanya Carpenter
    Zur Serie
Ruf des Blutes
    Die Feuer prasselten so laut, dass es dem kleinen Mädchen in den Ohren schmerzte und es das Gesicht verzog. Aber es konnte sich nicht abwenden oder die Ohren zuhalten, denn zwei Frauen hatten unbarmherzig seine Arme ergriffen und zwangen es, zuzusehen und zuzuhören. Wenigstens waren die Schreie nun erstorben. Diese quälenden Schreie, die ihm ins Herz schnitten, und der Kleinen sicher ebenso, weil die Stimmen so vertraut waren, die in Agonie allmählich brachen. Joanna! Lilly!

    Tochter der Dunkelheit,
ISBN: 978-3-940235-12-1
    Er blickte wieder zu dem Kind und verband seinen Geist mit dem der kleinen Melissa. Ihre Gedanken waren nur noch vage. Der Zweijährigen war schwindelig vom Rauch, übel vom Geruch des verbrannten Fleisches. Eine Kälte hatte sich in ihre Glieder geschlichen wie eine Schlange, lähmte jeden Muskel. Er fühlte ihren Schmerz, schmeckte ihre Tränen, erlebte das Martyrium, das diese zarte Seele durchleiden musste, genauso intensiv wie sie. Weil er und die Kleine eins waren. Und weil er die beiden Frauen genauso sehr liebte, die nun ihr Leben lassen mussten. Wofür?
    Er schluckte. Tränen rannen über seine Wangen, dunkles Rot auf bleicher Haut. Armand fühlte sich wie ein Feigling, weil er den Freundinnen nicht zu Hilfe kam, doch er wusste, wie sinnlos es gewesen wäre. Dass er ihren Tod dann lediglich geteilt, nicht hätte verhindern können.
    Eine der rot gekleideten Priesterinnen hielt einen dampfenden Becher an Melissas Lippen und die Kleine trank mechanisch das Elixier, das vermutlich ihre Vergangenheit ertränken, ihr die Erinnerungen rauben sollte. Fremdartige Worte klangen zu ihm herüber, woben Nebel um den Geist des Kindes, bis dessen Lider immer schwerer wurden. Auch er kämpfte gegen diese Müdigkeit an, löste schließlich die Verbindung zwischen ihnen, um nicht von dem Sog in die Tiefe gerissen zu werden.
    Er sah, wie Melissa die Beine wegknickten, eine der Frauen sie auf die Arme hob und wegtrug. Ja, dachte er, bring sie endlich weg von hier. Kein Kind sollte so etwas erleben müssen. Kein Kind sollte seine Mutter brennen sehen.
    Einige Stunden später lag der Platz einsam und leer vor ihm, die Luft noch geschwängert vom Brandgeruch, obwohl die Feuer längst verloschen waren und der Wind die Asche bereits in alle Welt verstreute. Warum hielt sich der Duft verbrannten Menschenfleisches nur länger als jeder andere? Armand betrat die Lichtung mit den beiden verkohlten Kreisen, ein Gefühl der Beklemmung schnürte ihm die Kehle zu, legte sich wie eine Klammer um sein Herz. Er hätte ihnen zu Hilfe kommen sollen, rief eine Stimme in ihm. Aber eine andere hielt dagegen. Dann wäre er mit ihnen gestorben, was weder etwas geändert noch jemandem geholfen hätte.
    Er musste leben. Um sie zu rächen. Und um der letzten Hoffnung willen, die für Joannas Kleine noch bestand. Franklins Tochter.
    Mon Dieu! Wie sollte er es ihm nur sagen?
Was
sollte er ihm sagen? Die Wahrheit – und doch auch eine Lüge. Sinnlos ein Opfer zu riskieren, um das Mädchen zu retten, falls es überhaupt zu retten war. Sein Leben vielleicht, aber was war mit seiner Seele? Er kannte Margret Crest und ihren Coven. Deren Kenntnisse von Zaubertränken. Erst einmal musste er sich versichern, dass Melissa nicht schon verloren war. Er wollte nicht, dass auch Franklin den Roten Priesterinnen zum Opfer fiel, weil er geblendet von der Liebe eines Vaters eine Einmannrettungsaktion startete. Es stand zu viel auf dem Spiel.
    Er wagte kaum daran zu denken, wie er ihm gegenüberstand und in die Augen sah. Fürchtete den Schmerz, der sie verschleiern und die Flut seiner Verzweiflung wie eine übermächtige Welle über ihn hinwegspülen würde, bis er sich nicht mehr daraus befreien, sondern in ihr ertrinken musste. Er stand Franklin viel zu nah. Und gerade deshalb durfte er nicht vor der Verantwortung davonlaufen. Vor der Pflicht, seinem Freund die Wahrheit zu sagen. Besser er erfuhr es von ihm statt von einem Informanten.
    Armand hatte nicht bemerkt, wie er niederkniete, doch als er aus seinen Gedanken erwachte, malten seine Finger Linien in die Überreste derer, die er geliebt und geschätzt hatte. Mischten das Grau und Schwarz der Asche mit dem roten Blut seiner Tränen, und auf einmal war er ihnen wieder nah. Ein letztes Mal.
    „Schütze dein Kind. Um jeden Preis!“, hatte Lilly gerufen.
    Er musste an die Worte des Lords Lucien denken, als dieser ihm die lederne Mappe mit der
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