Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
nicht kennt. - Warum störst du mich? Störe ich dich, wenn du zu deiner Messe gehst? Ist nicht jeder Ort, an dem ein Gott wohnt, geheiligt?«
    »Wo ist Tristan?«
    »Du solltest selbst wissen, wo sich deine Ritter aufhalten!«
    »Woher hast du die goldene Kugel?« Marke ging an Isolde vorbei zu dem Altar.
    »Lass sie dort, wo sie ist und wie sie ist.« Isoldes Stimme klang leise, aber bestimmt.
    Marke tat so, als hätte er sie nicht gehört. Er starrte auf die Kugel, die sich auf dem Wasser wie ein vergoldetes Holzbällchen drehte, als gäbe es darunter eine Strömung. Doch der Wasserspiegel war völlig ruhig. Er hob die Hand, hörte nochmals Isoldes warnende Stimme in seinem Rücken, griff nach der Kugel und konnte sie kaum in den Fingern halten, so schwer wog sie darin. Erschrocken ließ er sie fallen und sah, wie sie einem Stein gleich auf den Boden der Schale fiel. Ihre Strahlen, ihr goldener Schimmer waren verschwunden. Wie eine Kugel aus Blei lag sie da, grau und unansehnlich. Erschrocken und verärgert wandte sich Marke um. »Alle hinaus!«, sagte er und ließ Isolde allein zurück.
    Draußen auf dem Flur begannen die Barone, ihrem Unmut Luft zu machen. Sie fühlten sich wieder einmal von ihrem König getäuscht - und dazu noch mitten in der Nacht. Mehrmals fiel der Name Wessely.
    Marke fluchte laut vor sich hin und suchte Tristans Kemenate auf. Der Hund lag vor deren Tür und fing an zu knurren, als der König sich ihm näherte. Marke wusste von dem Losungswort, um an dem Hund vorbeizugelangen, aber auch ihm hatte Tristan es nicht verraten. Er schreckte zurück. Erschöpft ging er in sein Gemach zurück, ließ sich noch einen Schlaftrunk bringen, heißes Kräuterwasser, das nach einem Rezept von Isolde zubereitet wurde, und schlief daraufhin bald ein.
    Am nächsten Morgen, es ging schon auf Mittag zu, wollte er Isolde aufsuchen. Eine der Zofen sagte ihm, die Königin sei zum Hafen unterwegs. Marke schickte ihr einen Boten nach, der herausfinden sollte, aus welchem Grund sie sich dort aufhielt. Da auch sein Neffe nicht mehr auf der Burg weilte und er befürchten musste, dass Isolde gemeinsam mit Tristan aufgebrochen war, um zu fliehen, befahl er einem Trupp von Reitern, die beiden unter Arrest zu stellen, sollten sie ein Schiff besteigen wollen.
    Der Bote kam erst am Abend in der Dunkelheit zurück. »Herr«, sagte er, »die Königin wird am morgigen Tag nach Tintajol heimkehren. Sir Tristan ist, soweit ich es in Erfahrung bringen konnte, zum Festland aufgebrochen, um seinen Ritterdienst auszuführen. Die Königin übergab mir ein Schreiben von ihm, das ich Euch aushändigen soll.«
    Marke entließ den Boten und öffnete hastig das versiegelte und mehrfach gefaltete Pergament. Er las:
    Mein König und geliebter Onkel. Tintajol ist gut befestigt. Deine Burg wird jedem feindlichen Ansturm trotzen. Ich sehe dort keine Aufgaben mehr für mich. Deshalb bin ich aufgebrochen zu ritterlichen Taten. Um uns den Abschied, der uns viele Tränen gekostet hätte, die unserer nicht würdig sind, zu erleichtern, brach ich in aller Frühe auf. Ein Schiff, schon lange geheuert, wird mich an die normannische Küste bringen. Von dort aus wird mich mein Weg nach allemagne führen, wo in fürstlichem Dienst Ritter benötigt werden. Danach, so hoffe ich, werde ich Parmenien wiedersehen, mein und meiner Eltern Vaterland. Du hast wackere Streiter um dich herum, die deinem Königreich treu dienen. Nie soll Zwietracht, Missgunst und invidia dein Herz kränken, das so gütig zu allen ist. Untertänigst Tristan, Fürst von Parmenien, Ritter von Cornwall, TGI.
    Marke las den Brief mit Entsetzen und Verwunderung. Was der Zusatz »TGI« bedeuten sollte, wusste er nicht, glaubte aber dieses verschnörkelte, in sich gedrehte »G« schon gesehen zu haben, als Courvenal ihm einmal fremdartige Zeichen aus dem Arabischen zu erklären versucht hatte.
    Er vermisste seinen Neffen im Herzen und war zugleich erleichtert, dass er außer Landes war. Nicht außer Landes, dachte Marke, sondern nur fern vom Hofe. Da klopfte es an seiner Tür. Marjodô wurde angekündigt: »In Begleitung.«
    Der Truchsess trat mit strahlendem Lächeln auf Marke zu, verbeugte sich und sagte: »Es ist alles nach Euren Wünschen geregelt. Der Zins wird fließen, die Abgaben sind festgesetzt, der Kämmerer kann seine Zahlen in goldenen Lettern schreiben. - Und hier bringe ich Euch eine Überraschung, die sicher Euer königliches Herz erfreuen wird.« Er machte einen Schritt zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher