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Tristan

Tristan

Titel: Tristan
Autoren: Martin Grzimek
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den Scherzeiten würden noch immer die Schafe im Klosterhof schreien, was sie keinem anderen als ihm, Courvenal, zu verdanken hätten.
    Diese Worte waren die ersten seit langer Zeit, die Courvenals Herz wärmten. Er wurde bei Marke vorstellig und bat darum, ihn zu entlohnen und aus seinen Diensten zu entlassen. Er müsse nun wieder seinen missionarischen Aufgaben nachkommen, der Bestimmung seines Lebens.
    Marke nahm diese Nachricht unter Schmerzen auf, und nur wenige Tage später kam in der Frühe des Morgens der Abschied. Am Abend zuvor hatte er Brangaene getroffen und ihr von seinem Vorhaben erzählt. Ihr als Einziger machte er Angaben über seinen zukünftigen Aufenthalt, sonst sollte niemand davon wissen. Isolde wollte er nicht mehr begegnen, es wäre besser, sagte er, er nähme nur das Bild, das er von ihr in sich trage, mit auf die Reise.
    Nun bin ich also hier - Courvenal hatte sein Heft wieder zu sich herangezogen - und wage den Anfang des Endes. Mein Alter zählt jetzt bald fünfzig Jahre, vielleicht sind es auch sechzig. Jetzt leben wir zu dritt in dem kleinen Kloster Fidgrow. Bruder Bene, wie ich ihn nenne, weil ich dieses ewige »dictus« nicht mehr hören kann, Bruder Elmar, der sich nur noch mit zwei Krücken unter seinen Armen fortbewegen kann und behauptet, er habe jetzt auch vier Beine wie die anderen Schafe, und ich. Durch meine vielen Verbindungen zur südlichen Welt und auch die vielen Münzen, die ich angesammelt habe, lasse ich mir Papyrus und Tinte schicken. Aus Conoêl und Tintajol kamen neulich - die Tage zählen wir hier nicht - Pakete mit Büchern, darunter das »Buch T«, eine wahre Fundgrube zu Tristans Eltern und seiner Kindheit. Was für ein redlicher Mann Rual doch war!
    Zu dem, was ich über die letzten Jahre von Tristan weiß, hat sich Folgendes zusammengetragen: Nach Kriegen in allemagne, die er mit seinen Streitgenossen gewann, kehrte er zurück nach Parmenien. Floräte und Rual waren längst verstorben. Erfand die Grafschaft wohlgeordnet vor unter der Regentschaft seiner Halbbrüder, überließ seinen Besitz und Mach tanspruch Ludvik und Edwin zu gleichen Teilen und setzte Thomas als Marschall ein. Danach zog er mit seinen Mannen weiter und stritt für andere Länder und Barone, die sich von Gesetzlosen in Kriege verwickelt sahen, für ihr Recht. Tristan wurde zum Kriegsfürst, obwohl er doch ein Held der Laute und der Lieder war. So wandelt sich bisweilen das gebrochene Herz. Aus Tristan wurde erst Tantris, aus Tantris wurde wieder Tristan. Das Schwert ward ihm in die Wiege gelegt, eine Zeit lang wurde es ihm zur Harfe, doch schließlich tötete ihn eine Waffe des Krieges.
    Er verlor sein Leben, wir mir berichtet wurde, durch eine tödliche Wunde, die ein verirrter Speer ihm in die Seite schlug. Da die Wunde nicht heilen wollte, Tristan aber auch nicht sterben konnte, schickte er einen Boten zu Isolde, noch immer an die geheime Kraft das Leben bewahrender Kräuter und Säfte glaubend.
    Eines Tages, im octavus des vergangenen Jahres war es wohl, verschwand Isolde aus Cornwall. Brangcene schrieb mir, sie sei zum sterbenden Tristan nach »Ave…«, mehr ist nicht entzifferbar, gerufen worden. Tristan lebe dort mit einer Frau zusammen, die ebenfalls den Namen Isolde mit dem Zusatz Weißhand trage und einer wohlhabenden Familie entstamme. Was Brangcene dann weiter berichtet, klingt verwirrend und ergibt für mich nur einen Sinn, von dem die moere dieser Welt beseelt werden: Tristan habe auf seine heilbringende Isolde gewartet und angeordnet, ihr Schiffsolle noch vor der Landung im Hafen von »Ave …« ein weißes Segel setzen, damit berittene Boten ihn mit der Nachricht von der glücklichen Ankunft von seiner Sehnsucht befreien könnten. Wie es das Schicksal will, habe jedoch der Kapitän, der sonst immer nur unter weißem Segel zur See fuhr, geglaubt, ein dunkel eingefärbtes sei das ungewöhnliche und besondere Zeichen. Noch auf hoher See, während die Königin in ihrer Kammer zusammen mit Brangame sich verborgen hielt, hatten die Schiffsknechte ein Segel mit verdünntem Pech einfärben müssen und es vor der Küste gehisst. Als Tristan von dem Zeichen Kenntnis bekam, war seine Hoffnung vernichtet. Isolde erreichte ihn noch, als er schon auf seinem Sterbebett lag, ohne ihn retten zu können. Der Kummer brach ihr, wie Brangame schreibt, »das Herz und das Licht in den Augen«. Tristan verstarb »in den Armen seiner ewig Geliebten. Sie folgte ihm nur wenige Tage später in den
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