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Tristan

Tristan

Titel: Tristan
Autoren: Martin Grzimek
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Seite, verbeugte sich erneut, und herein trat Wesselys schöne Tochter. Sie deutete einen Knicks vor Marke an und richtete ihren gläsernen Blick auf ihn. Der König erschrak. Er begrüßte sie mit niedergeschlagenen Augen. »Seid willkommen, Baronesse«, sagte er höflich und dachte das Gegenteil.
     
    Libellus II ~299~ Der Anfang
     
    Der Anfang beginnt am Ende, notierte Courvenal in ein neu angelegtes Heft, das er für sich selbst längst das »Tristan-Heft« nannte. Beides ist schließlich gleich. Trotzdem vermisse ich Tristan, mit dem ich so viel erlebt und geteilt habe. Es ist jetzt Jahre her, seitdem ich ihn zum letzten Mal sah, und ich weiß, dass ich ihn nie wiedersehen werde. Vieles ist seitdem geschehen. Doch mir ist alles nur vom Hörensagen und von den Liedern der Barden bekannt, die uns die Geschichten aus den fernen Ländern erzählen, ohne selbst dabei gewesen zu sein. Sie berichten von seinen Heldentaten, wie nicht anders zu erwarten.
    Courvenal legte das Heft beiseite. Als er dies aufschrieb, befand er sich weit weg von Markes Hof, und es waren, wie er notiert hatte, in der Zwischenzeit etliche Jahre vergangen. Der Anfang beginnt am Ende - damit wollte er ausdrücken, dass Tristan nicht mehr am Leben war und er, Courvenal, sich an diesem allmählich zur Neige gehenden Tag, an dem er vom Tod seines Freundes und auch der Königin durch einen Brief Brangasnes erfuhr, dazu entschlossen hatte, die Geschichte von Tristan und Isolde für die Nachwelt aufzuschreiben.
    Das Schlimmste war und blieb für Courvenal, dass er sich damals, als Tristan Cornwall Hals über Kopf verließ, von ihm nicht hatte verabschieden können. Ohnehin hatte er ihn in den Wochen und Monaten davor nur selten zu Gesicht bekommen. Manchmal hatten sie sich im Garten hinter dem Turm getroffen. Dort gestand ihm Tristan, dass es wieder einen Ort gäbe, an dem er sich mit Isolde treffen konnte, ohne gesehen zu werden. Mehr wollte und konnte er dem Mönch nicht verraten, um ihn nicht wieder in sein geheimes zweites Leben hineinzuziehen. Wenn überhaupt erzählte er ihm etwas in undeutlichen Worten von seiner fortüne, zeigte dabei ein glückliches Gesicht und lenkte danach von sich ab, indem er berichtete, mit welcher courage Isolde Marke eingeschüchtert hatte, indem sie ihm sagte, er würde sie wie ein eruischer Wolfshund anknurren. Courvenal hatte herzlich darüber lachen müssen, aber schlau war er aus den Worten Tristans nicht geworden. Und dann hieß es plötzlich, Tristan sei auf einem Schiff unterwegs nach dem Festland, er habe seine gesamte Ausrüstung mitgenommen und zwei seiner Harfen.
    Courvenal konnte die Nachricht nicht glauben. Er suchte Brangaene auf, die ihm mit verweintem Gesicht alles bestätigte. Mit ihr zusammen wartete er auf die Rückkunft Isoldes, die sich aber gleich in ihr Gemach einschloss und niemanden sehen wollte. Eine ähnliche Antwort erhielt er, als er den König sprechen wollte, von den Wachmannen, die Marke vor seiner Tür hatte aufstellen lassen.
    Erst Tage darauf traf er Marke im Refektorium und stellte ihn dort zur Rede. Marke beteuerte, Sir Tristan habe aus freiem Entschluss heraus die Insel verlassen, um ritterlichen Dienst zu tun. Mehr wisse er selbst nicht. »Du weißt«, wandte er sich dann an Courvenal, »wie traurig mich das macht. Und deshalb bitte ich dich, dass wenigstens du an meiner Seite bleibst - und an der der Königin. Sie hört auf deinen Rat, keinem kann ich mehr vertrauen als dir. Für deine Dienste werde ich dich bezahlen, wie es sich gehört. Bleibe bei uns, so lange es dir möglich ist!« Er umarmte den Mönch, doch Courvenal spürte, dass es nur aus Selbstmitleid geschah.
    Er blieb so lange auf Tintajol, bis er jede Hoffnung aufgegeben hatte, Tristan würde noch einmal dorthin zurückkehren. Isolde traf er nur selten, was er von ihr wusste, hörte er von Brangaene, die weiterhin seine engste Vertraute war. Es gebe keine Liebe mehr zwischen Isolde und Marke, gestand sie ihm, die beiden lebten nebeneinander her wie ein Paar unbenutzter Schuhe. Und altern würden sie wie Blumen in einer Vase. Courvenal notierte sich diese Bemerkungen und spürte dabei, wie er selbst von Tag zu Tag kraftloser wurde.
    Da erreichte ihn eines Tages zu seiner Überraschung ein Schreiben von Benedictus, den er schon ganz vergessen zu haben glaubte. Der Bruder malte darin ein wunderbares Bild von seinem Leben im Kloster Fidgrow und forderte Courvenal auf, ihn und Elmar zu besuchen. Platz sei genug, und zu
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