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Stets zu Diensten

Stets zu Diensten

Titel: Stets zu Diensten
Autoren: P. G. Wodehouse
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1
    Die Morgensonne schien über Blandings Castle herab; und die diversen Bewohner des Geburtshauses von Clarence, des neunten Earl of Emsworth, hatten eben ihr Frühstück verdaut und beschäftigten sich jeder auf seine Art.
    Beach, der Butler, las in der Vorratskammer einen Agatha Christie-Krimi; Voules, der Chauffeur, saß Kaugummi kauend in dem vor der Eingangstüre geparkten Auto. Der Duke of Dunstable, der ungebetenerweise auf einen langen Besuch gekommen war, saß auf der Terrasse und durchblätterte die TIMES, während George, ein Enkel von Lord Emsworth, mit seiner Kamera, die er zu seinem zwölften Geburtstag geschenkt bekommen hatte, das Grundstück durchstreifte. Er fotografierte ganz unten beim Westwald eine Hasenfamilie.
    Lord Emsworths Schwester, Lady Constance, saß in ihrem Zimmer und schrieb einen Brief an ihren amerikanischen Freund, James Schoonmaker. Lavender Briggs, die Sekretärin von Lord Emsworth, war auf der Suche nach ihrem Chef. Lord Emsworth selbst war in Begleitung von Mr. Schoonmakers Tochter Myra auf dem Weg zum Hauptquartier der Kaiserin von Blandings, seiner prachtvollen Sau, dreimalige Gewinnerin der Silbermedaille in der Mast-Schwein-Klasse bei der Shropshire Landwirtschaftsausstellung. Er hatte das Mädchen mitgenommen, weil es ihm während der letzten Tage so betrübt erschienen war und weil er aus eigener Erfahrung wußte, daß nichts auf der Welt einen in bessere Stimmung versetzen konnte, als nach dem Frühstück ein Besuch bei der Kaiserin.
    »Dort ist ihr Stall«, sagte er und zeigte ehrfürchtig in dessen Richtung, während sie gerade eine mit Butterblumen und Gänseblümchen übersäte Wiese durchquerten. »Und daneben steht mein Schweinehüter, Wellbeloved.«
    Myra Schoonmaker, die mit gebeugtem Kopf einhergeschritten war, als ob sie dem Sarg eines lieben Freundes folgte, blickte lustlos in die angedeutete Richtung. Sie war ein hübsches, schlankes Mädchen, das zweifellos noch hübscher gewirkt hätte, wenn es etwas mehr Liebenswürdigkeit gezeigt hätte. Ihre Stirn war gerunzelt, ihre Lippen zusammengekniffen und ihre großen, braunen Augen, die auf George Cyril Wellbeloved ruhten, hatten den traurigen Ausdruck eines Dackels, der bei Tisch bettelt und keinen einzigen Brocken bekommt.
    »Sieht aus wie ein Straßenlümmel«, sagte sie, nachdem sie George Cyril prüfend angesehen hatte.
    »Wie? Wie wer?« sagte Lord Emsworth, dem dieses Wort unbekannt war.
    »Diesem Kerl würde ich keinen Finger breit über den Weg trauen.«
    Lord Emsworths Gesicht erhellte sich.
    »Wissen Sie, daß er vor einiger Zeit von mir weggegangen ist, um bei meinem Nachbarn, Sir Gregory Parsloe, in den Dienst zu treten. Eine Unverschämtheit und keinerlei Gefühl für Loyalität; aber von diesen Menschen kann man das eben nicht erwarten. Heutzutage gibt es keinen alten Feudal-Instinkt mehr. Doch das ist inzwischen vorüber, und jetzt bin ich sehr froh, ihn wieder bei mir zu haben. Ein äußerst fähiger Mann.«
    »Und trotzdem würde ich ihm nicht mehr trauen als einem Elefanten.«
    Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte Lord Emsworth große Überlegungen angestellt, wie weit sie einem Elefanten trauen würde und hätte endlose Fragen gestellt. Aber die Tatsache, daß am Ende des Weges die »Kaiserin« auf ihn wartete, ließ es nicht zu, daß er sich näher mit dieser Angelegenheit beschäftigte. Er ging, so schnell er konnte, seine sanften Augen strahlten vor Erwartung.
    Mit dem Rücken an den Stall gelehnt, stand George Cyril Wellbeloved da und beobachtete den näher kommenden Lord Emsworth. Vor Erstaunen pfiff er leise durch die Lippen.
    »Du heiliger Bimbam!« sagte er zu seiner unsterblichen Seele. »Da hol’ mich doch der Teufel!«
    Der Grund für sein Erstaunen war der, daß normalerweise sein Vorgesetzter zu den schlampig gekleideten Menschen zählte und als ziemlich prominenter Shropshire-Angehöriger kein sehr gutes Bild machte. Aber heute wirkte er vom Scheitel bis zur Sohle perfekt. Nicht einmal die ätzende Kritik von TAILOR AND CUTTER’S hätte seiner glanzvollen Erscheinung etwas anhaben können. Es war daher kein Wunder, daß Wellbeloved erstaunt war; normalerweise sah er seinen Herrn ja nur in schäbigen Flanellhosen, einem alten Jagdmantel mit Löchern in den Ärmeln und einem Hut, den selbst der heruntergekommenste und anspruchsloseste Gammler nicht aufgesetzt hätte.
    Es war nicht ein plötzlicher Anfall von Eitelkeit, der die äußere Schale des Neunten Earl of Emsworth so
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