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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Autoren: Andreas Altmann
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an. Und brüllen los.
    Hier könnte der Buddhismus aushelfen, fällt mir im Getümmel ein. Eine Lehre, die penetrant darauf besteht, das wahrzunehmen, was »ist«: eben die Fakten und Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, nicht das vollgeblasene Ego und seinen Wunsch nach Rache. Was die beiden hier vorführen, sind wir alle. Gestochen scharf legen sie Zeugnis von dem Eifer ab, mit dem wir unsere Lebenskraft verschleudern. Die wir woanders so nötig hätten. Der Buddhismus hat etwas Federndes, das ihn so elegant erscheinen lässt. Die zwei Männer hier haben gewaltigen Stress und federn in keiner Sekunde.
    Nur unter Aufwand letzter autoritärer Maßnahmen – ich drohe Yudai, ihm nicht die vereinbarte Summe auszuzahlen, übe gleichzeitig beschwichtigende Gesten Richtung Restaurantbesitzer – kommt es nach zehn Minuten zu einem erbosten Rückzug. Dürften sie, wie sie wollten, sie hätten längst nach Pfannen und Kochtöpfen gegriffen. Dennoch, ich mag die Szene. Sie erinnert mich selbstverständlich auch an mich. Und wie recht ich daran tat, nach Indien zu reisen. Auf eine neuerliche Suche. Um nicht als einer zu enden, der noch als Greis wie ein 16-Jähriger die Nerven verliert. Ohne Swing, ohne jede Eleganz.
    Am nächsten Tag steht Plan A. Ich werde jene vier Orte in Indien besuchen, die jedem Buddhisten nah sind. Wenn ich auf dieser langen Reise dem einen nicht begegne, von dem ich nichts weiß, als dass ich ihn brauche, dann ist mir nicht zu helfen. Doch ich bin zuversichtlich, dieses Land ist eine Schatztruhe.
    Ich fahre per Taxi nach Sarnath, erste Station, etwa zwölf Kilometer außerhalb von Varanasi. Dort, so verkünden alle buddhistischen Legenden, hat Buddha zum ersten Mal zu seinen Schülern gesprochen. Ich gehe zum Mulagandhakuti-Tempel , erbaut 1931. Hier wird eine Reliquie des Verehrten aufbewahrt. Heißt es. Man sieht sie nicht, keiner hat sie wohl je gesehen. Dafür gerät man ins Blitzlichtgewitter von hundert Touristen-Kameras, die sie auch nicht sehen.
    Draußen wurden ein paar Tafeln mit Sätzen des Erleuchteten aufgestellt, der modernste: »Jene, die das Wichtige als wichtig erkennen und das Unwichtige als unwichtig, werden beim Wichtigen ankommen.« Der Bestseller Simplify your life zeigt, dass die Menschheit noch 2500 Jahre später nach jener Kraft sucht, die sie vom Schrott – dem geistigen, dem materiellen – befreit.
    Ein paar Schritte weiter wurden sechs Statuen aufgestellt, Buddha und um ihn die fünf ersten Schüler. Eine Gruppe Besucher, ein Trio, sitzt vor einer Nonne, die den »historischen« Zusammenhang erklärt. Dabei schielt einer auf eine schöne Inderin, eine antwortet auf das Klingeln ihres Handys und der dritte schaut (heimlich) auf seine Uhr. Alle drei sind nicht »da«, nur anwesend. Vorsorglich haben sie die Masken der Andacht mitgebracht. Sie sind nicht andächtig, aber sie wissen, wie man auftreten muss, um diesen Eindruck zu vermitteln. Sie spielen Spiritualität. (Dabei würde andachtslose Achtsamkeit völlig reichen.)
    Mich deprimieren solche Bilder. Alles scheint gleich wichtig. Die Hübsche, was die Frau erzählt, was auf der Uhr steht, was der Anrufer sagt. Nein, nicht gleich wichtig, eher gleich unwichtig. Nichts ist fesselnd genug, um uns zu fesseln. Wie oft passiert uns das? Zappend durch die Wirklichkeit zu rennen und nicht »ergriffen« zu werden. Wie oft? Ein Leben lang? Zur Klarstellung: Es geht nicht um schäbige Kritik. Die anderen sind nur das Spiegelbild, in das ich blicke. Um mich zu erschrecken und, immerhin, wieder zu ermahnen, dass ich nicht zappen will. Ich will die Tiefe, will dieses umwerfend schöne Gefühl der Hingabe.
    Reality check als Fußnote, mitten im Buddhaland: Weder für die Existenz Jesu noch Mohammeds noch Buddhas gibt es wissenschaftliche Beweise. Weiß man um die menschliche Fähigkeit, sich oft von Gerüchten und anderen Hirngespinsten zu nähren, so liegt die Theorie nahe, dass sie erfunden wurden oder nur vage mit jenen Personen zu tun haben, die der Legendenbildung als Vorlage dienten. Keiner der drei hat schriftliche Notizen hinterlassen. Auch keiner von denen, die sie persönlich gekannt haben. Alles, was sie, die Legendären, (angeblich) sagten, haben andere überliefert. Nach deren Ende, lange nach deren Ende. Und sich bald über die »wahre« Lehre gestritten, bisweilen bekriegt. Und wieder andere haben – über Jahrtausende – ergänzt, durchgestrichen oder anders interpretiert, anders übersetzt. Und wieder gestritten, sich
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