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Treibland

Treibland

Titel: Treibland
Autoren: Till Raether
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Torfgeschäften ihres Mannes erzählt hatte.
    «Ja, Carsten Lorsch hat mit Torf spekuliert, der wird immer seltener und kostbarer, dafür zahlen die schottischen und amerikanischen Destillerien von Jahr zu Jahr höhere Preise. Steenkamp hätte Lorsch ein Darlehen zum Ankauf gegeben, ein ganz normales Golfplatzgeschäft, und ich hätte mich über eine Drittfirma an Lorschs Spekulationen beteiligt und die Gewinne verbucht. Die Verbindung hätte niemand herausgefunden. Torf, das klingt so langweilig, da sucht keiner weiter.»
    «Torf», sagte Danowski, wie im Abschied von diesem Wort.
    «Im Grunde», sinnierte Peters, offenbar froh, ihn verblüfft zu haben, «ein ganz normales Kommissionsgeschäft. So läuft das in Hamburg, so ist das unter Kaufleuten: Man bringt Menschen zusammen, ermöglicht ihnen Geschäfte, und am Ende erfährt man dafür eine Anerkennung. Ein völlig normaler …»
    «Schluss jetzt», sagte Danowski, als hätte Peters von selbst mit den Exkursen angefangen. «Wir machen einen kleinen Videoabend. Damit ich das ganze Bild sehe.»
    Peters nickte ernst, aber seltsam ungerührt. Danowski zeigte mit dem Flintenlauf auf die Videokassetten und sagte: «Legen Sie es ein.»
    «Welches?», fragte Peters.
    «Das, mit dem Sie Steenkamp erpresst haben.»
    Peters stand auf, ging vorsichtig an Danowski vorbei und zog «Charity ’ 78 » aus der Reihe. «Sie bluffen», sagte er, «aber im Prinzip habe ich gar nichts dagegen, Ihnen das Video zu zeigen. Zumindest werden Sie Cay Steenkamp danach besser verstehen, wenn auch nicht mich. Und vielleicht werden Sie verstehen, dass es hier wirklich um mehr ging als um ein paar Millionen. Ein Lebenswerk, wie gesagt. Aber ich muss Sie warnen: Schön ist es nicht, sich das anzusehen.»
    «Woher haben Sie das Video?», fragte Danowski.
    «Sie werden lachen», sagte Peters. «Steenkamp hat mir selbst davon erzählt. Es gab eine Zeit, da war ich für ihn auf dem Platz so was wie ein Vertrauter. Vielleicht werden Sie das selber eines Tages erleben, dass ein einsamer alter Mann Sie auserkürt, sich die Geschichte seines Lebens anzuhören. Das kann recht langweilig sein, mitunter lohnt es sich aber auch.»
    Danowski machte eine ankurbelnde Handbewegung. «Ich kann nicht glauben, dass Sie das nicht digitalisiert haben», sagte er, während Peters die Hülle von der Videokassette schüttelte. Es langweilte ihn, die Schrotflinte mit der anderen Armbeuge in Peters’ allgemeine Richtung zu halten, aber er war bereit, das auszuhalten.
    «Man kommt ja zu nichts», sagte Peters mit einem resignierten Pathos in der Stimme, das weit über die technische Umwandlung von Datenträgern hinausging. Der Videorecorder schluckte die Kassette mit einem müden Schmatzen, und Danowski spürte einen nostalgischen Stich. «Falsches Spiel mit Roger Rabbit», «Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss» oder «Robocop», so was in der Art, mit Leslie Samstagabend Ende der Achtziger. Im Grunde hatten sie schon damals gelebt wie ein altes Ehepaar.
    «Bevor Sie das anmachen, möchte ich Ihnen noch etwas erklären», sagte Peters, der offenbar einen neuen Plan ausgeheckt hatte. Danowski ließ sich in einigem Abstand von Peters in einen Sessel fallen. «Sagt Ihnen der Namen Edward Jenner etwas? Oder James Phipps?»
    Danowski richtete sich auf und zeigte mit dem Kinn auf die Schrotflinte, die er in der rechten Hand hielt und die im Moment noch auf den Boden zeigte. «Wilken Peters», sagte er feierlich, «ganz im Ernst, wenn Sie jetzt weitere Namen aus dem Hut zaubern, um die Schuld auf andere zu schieben und um mich zu verwirren, dann erschieße ich Sie erst recht.»
    Peters verzog den Mund über diese wiederholte Geschmacklosigkeit, und im Stillen musste Danowski ihm recht geben: Ich bin müde, ich rede Unsinn. Aber andererseits, wenn ich ihn jetzt erschieße, dann ist das alles wenigstens auf eine Art zu Ende, die sich nicht mehr revidieren lässt. Dann dachte er an Anhörungen und Verhandlungen und das alles, was zusätzlich nach der Quarantäne auf ihn zukommen würde, abgesehen vom hoffentlich schlechten Gewissen, und seine Müdigkeit wurde noch größer.
    «Edward Jenner war ein englischer Landarzt, der Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Pockenimpfung erfand», sagte Peters mit der leicht zu strapazierenden Geduld des besser Gebildeten. «Wahrscheinlich einer der größten Wohltäter der Menschheit. Jemand, der Millionen und Abermillionen Menschen das Leben gerettet hat. Jemand, ohne den wir
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